Nicht viele Hollywood-Filme beschäftigen sich mit der mexikanischen Geschichte, schon gar nicht ohne direkte Bezüge zur eigenen Vergangenheit zu schaffen. Nicht nur in dieser Hinsicht ist „Viva Zapata!“ ein Ausnahmewerk geblieben. Elia Kazan hatte gerade mit „Endstation Sehnsucht“ einen großen Erfolg verbuchen können, machte den jungen Marlon Brando zu einem gefragten Weltstar. Im beinahe direkten Anschluss begannen die Dreharbeiten in Mexiko, eine weitere Hauptrolle, die Brandos Ruf zementieren sollte, wartete bereits. Emiliano Zapata spielte eine gewichtige Rolle in der mexikanischen Revolution, er war es, der der Landbevölkerung und den Bauern etwa gab woran sie glauben konnten und wofür es sich lohnte zu kämpfen. Von bäuerlicher Herkunft war Zapata ungebildet, konnte nicht einmal lesen. Dennoch war er ein aufrechter, stolzer Mann der nachvollziehen konnte, wonach das Volk begehrte. Aus dem einfach gestrickten Charakter macht der Film keinen Hehl, im Gegenteil: Brando verkörpert seine Figur mit Leib und Seele, er lebt seine Rolle. Der Drang nach Gerechtigkeit wirkt zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt. Nicht umsonst wollte Elia Kazan ihn unbedingt in der Hauptrolle sehen, Brando bekam genug künstlerische Freiheit für die persönliche Auslegung. Letztendlich wird Zapata nicht als strahlender Held gezeichnet sondern als harter Mann, eigensinnig und zielstrebig. Falschen Heldenpathos bekommt man hier glücklicherweise nicht zu sehen, obwohl im Großen und Ganzen natürlich die Sympathien dem Hauptcharakter zukommen.
Elia Kazan ließ seine eigene Persönlichkeit bewusst in die Aussage des Films einfließen und rechnet auf seine Weise ab mit dem Kommunismus, insbesondere mit der stalinistischen Diktatur. Diese Parallele wird deutlich, betrachtet man den politischen Werdegang des Meisterregisseurs. Einst selbst ein überzeugter Kommunist, geriet seinem Weltbild ins Schwanken in Anbetracht der Zweckentfremdung dieser politischen Ideologie. Der Machtmissbrach erschreckte Kazan nachhaltig, sodass er dauerhaft dem Kommunismus abschwor da die Praxis in der Regel zwangsläufig scheiterte. Kazans politische Gesinnung war immer wieder ein Thema in den amerikanischen Medien, scheinbar wollte er sich aber einer einfachen Kategorisierung entziehen. Ganz im Sinne dieser gedanklichen Entwicklung nutzt der Regisseur Zapatas Ende als Unterstreichung: Er wird zum Opfer einer Intrige der ehemals Gleichgesinnten. In einen Hinterhalt gelockt, wird der tapfere Kämpfer feige erschossen.
Geradezu poetisch muten die schwermütigen Dialoge an, was nicht im Widerspruch steht zur einfachen Herkunft der Figuren. Die Menschen auf Zapatas Seite kämpfen für ihre Grundrechte, für ihr eigenes Land, für Nahrung, für ihren persönlichen Frieden. Da ist kein Platz für intellektuelles Geschwafel, ebenso wenig wie Zapata den Menschen Versprechungen macht. Als er in seiner Machtposition seine eigene charakterliche Veränderung bemerkt, entschließt er sich, sich auf die alten Werte zu besinnen. Führer zu sein war nie das Ziel dieses Mannes, dessen Vita Drehbuchautor John Steinbeck hervorragend zusammenfasst. Steinbecks Figuren bewegen sich oft abseits von der Gesellschaft, sind verschrobene Einzelgänger – trotz zahlreicher künstlerischer Freiheiten (die bei einer filmischen Biographie schließlich unabdingbar sind) hält sich der schon damals weltberühmte Autor an die wichtigsten Details, grobe Verfälschung liegt in keiner einzigen Szene vor. Historische Fakten und eigene Interpretation gehen Hand in Hand eine symbiotische Beziehung ein. Aufgebaut ist die Handlung als aktionsreicher Abenteuerfilm, der jedoch einem langsamen Rhythmus folgt. Die allgemein vorherrschende Oberflächlichkeit des Genres durchstößt das Drehbuch mit präzise getimten Szenen, in denen die wichtigen Charaktere ausführlich durchleuchtet werden.
Einerseits treibt das intensive Spiel Brandos den Film an, andererseits würde seine Leistung nicht ausreichen, wären da nicht die exzellent agierenden Nebendarsteller. Anders als in „Endstation Sehnsucht“ oder auch „Die Faust im Nacken“ fehlt ihm aber ein wenig die Suggestivkraft, die sein Schauspiel so einzigartig machte. Im Nachhinein war Brando unzufrieden mit seiner Leistung weil es seiner Darstellung an Härte gefehlt hat – und obwohl seine Leistung an sich tadellos ist, so wird sie beinahe überschattet vom großen Anthony Quinn, der hier als Bruder Zapatas auftritt und innerhalb der Handlung eine deutliche Veränderung durchmacht. Nach Jahren der Kämpfe will er endlich entlohnt werden und ein üppiges Generalsleben führen, was ihn zu Untaten wie Vergewaltigung und Brandschatzung hinreißen lässt. So ist der Film am stärksten wenn Brando und Quinn gemeinsam agieren und sich gegenseitig zur Höchstleistung antreiben.
Heute ist Emiliano Zapata ein Volksheld und Protagonist vieler Legenden. Ein bekanntes Motiv ist das Überleben Zapatas, ein Gerücht, welches nie ganz aus den Menschen in Mexiko verschwunden ist. In der letzten Szene thematisiert der Film diese romantische Legende und in gewisser Weise zeigt sie ihren (fiktiven) Ursprung. Zapata avancierte mit seinem Tod zum unvergessenen Märtyrer, dessen Person häufig überstilisiert und mystifiziert wird. Vergleichsweise wenig Filme nahmen sich seiner Person an, mit Ausnahme von stark verfremdeten Western („Tötet Emiliano Zapata“) blieb Kazans epochaler Abgesang lange Zeit die einzige Visualisierung jener bewegten Lebensgeschichte. Erst im Jahr 2004 erschienen eine amerikanische TV-Produktion und fast gleichzeitig eine mexikanische Adaption, die bei Publikum und Kritik allerdings sehr gespaltene Meinungen hervor rief. Der Einfluss des Freiheitskämpfers ist in seinem Heimatland enorm hoch. Man denke nur an die berüchtigte EZLN (zu deutsch "Zapatistische Armee nationaler Befreiung"), eine politische Gruppierung, die Zapatas Gedankengut weiter führt und in heutige Problematiken überträgt. Teilweise mit Guerilla-Methoden kämpfen sie für die Rechte der unterdrückten Ureinwohner, jene Bauern, für die die mexikanische Revolution eigentlich ein besseres Leben bringen sollte. Wie so oft in der Geschichte siegte die Gier nach Macht über "die gute Sache" - in den Köpfen der Menschen ist Emiliano Zapata jedenfalls unsterblich.
Fazit: Diese fast vergessene Perle lege ich jedem ans Herz, der Gefallen findet an klassisch epischer Inszenierung und an großem Schauspiel. Wenn auch stellenweise leicht angestaubt, die grundsätzliche Aussage des Films bleibt zeitlos modern.
09 / 10