Eli Roths Debüt „Cabin Fever“ halte ich für einen sehr unterschätzten Meilenstein im modernen Horrorfilm, so war ich mehr als gespannt auf den groß angekündigten „Hostel“. Alleine die riesige Anzahl der Reviews auf OFDb und etlichen anderen Seiten zeigt das Interesse am Film, sowohl Enttäuschung als auch Begeisterung machte sich unter den Zuschauern breit. Obwohl die sadistische Story clever mit Urängsten spielt und durch die individuell ausgelebten Folterfantasien Raum bietet für jedwede Gewaltdarstellung überschreitet Roth niemals wirklich die Grenze des Zeigbaren – Zugeständnisse an den Mainstream sind unverkennbar, schließlich ist saftiger Splatter auch wieder angesagt, spätestens seit dem immensen Erfolg von „Saw“.
Atmosphärisch leistet Eli Roth sehr gute Arbeit und bietet zunächst flache Unterhaltung mit vielen Schauwerten, anschließend stellt sich frostige Spannung ein, welche leider nicht bis zum Schluss aufrechterhalten wird. Spätestens nach der Befreiung der Asiatin am Schluss langweilt der Film mit einem effekthascherischem Showdown. Die Vorhersehbarkeit der Story ist offensichtlich und das Drehbuch bemüht sich gar nicht darum irgendwelche Haken zu schlagen.
Inhaltlich orientiert sich „Hostel“ am blutigen Horror der 70er und 80er Jahre, zahlreiche Verweise deuten unübersehbar auf einschlägige Klassiker. Bei seinem ersten Film gelang Roth den Retro-Style mit eigenen Ideen zu kombinieren, wunderbar böse ist aber das dunkle Set-Design und die wirklich schaurige Beleuchtung. Unheilvolle Klänge und triste Landschaften, karge Kulissen und bedrohliche Gesichter; die Stimmung ist ungeheuer finster, was vor allem an der Suggestivkraft der Bilder liegt.
Tarantinos und Roths Cameo-Auftritte sind eigentlich nicht erwähnenswert da sie kaum für mehr als eine Sekunde zu sehen sind, anders dagegen der schöne Kurzauftritt von Kultregisseur Takashi Miike. Ein paar mehr solcher Momente hätten dem Ganzen mehr Würze verliehen, vor allem da der Cast vollkommen aus unbekannten Gesichtern besteht. Letztendlich bleiben sämtliche Charaktere sehr einfach und flach gezeichnet, tiefgründige Schauspielerei ist hier also gar nicht nötig. Ihren eindimensionalen Rollen entsprechend eingeschränkt kann auch kaum einer sein Talent wirklich unter Beweis stellen, angesichts der Unerfahrenheit der meisten Akteure lässt sich aber kaum ein negatives Wort verlieren. Für die Kinder-Gang engagierte man angeblich echte Straßen-Kids, ziemlich makaber wenn man mal drüber nachdenkt und vor allem mit welch ironischer Leichtigkeit die Darstellung jener Kinder im Film abgetan wird.
In den Folter-Szenen entfaltet „Hostel“ seine Qualitäten dann aber doch, positiv fällt auch die sparsame Dosierung von grafischer Gewalt auf. Wie gesagt verlässt man nicht die Grenze des erträglichen, trotz größtenteils realistischer Effekte erspart man dem Zuschauer zum Beispiel das wirkliche Ergebnis der grauenhaften Verbrennung der Asiatin am Ende des Films. Stattdessen sieht man hier unrealistischen Splatter, eine Tatsache die die zuvor aufgebaute düstere Grundstimmung teilweise zerstört. Folterungen mit Bohrmaschine, Messer oder Kettensäge sind (wenn auch nur in kurzen Szenen) teilweise ungeschönt zu betrachten und sicher geht man für Mainstream-Verhältnisse ziemlich weit. Um das Feuer noch mehr zu schüren wird dem Zuschauer mitgeteilt, dass die Geschichte von wahren Ereignissen inspiriert wurde, einen höheren Realitätsanspruch garantiert das selbstverständlich in keinster Weise.
Die leitende Hand des Produzenten Quentin Tarantino ist leider nicht zu spüren und daher wirkt die Regie leider stellenweise konturenlos und fehlendes Timing macht sich auch in der einen oder anderen Sequenz bemerkbar. Dennoch lässt sich der originellen Story nicht eine gewisse allegorische satirische Seite absprechen – in überspitzter Form wirkt „Hostel“ durchaus gesellschaftskritisch und begnügt sich nicht damit den Osten Europas als lebensgefährlichen Sündenpfuhl darzustellen. Roth drehte hier keine Dokumentation und erhebt keinerlei Anspruch auf eine korrekte Darstellung der Slowakei, gerade die Mystifizierung dieses Landes wirkt ungemein ironisch. Nebenbei sind die Nationalitäten der Folterer gemischt, zwei der perversen Kunden kommen aus den USA bzw. aus Deutschland. Von rassistischen Tendenzen oder Verunglimpfungen bezüglich Osteuropas kann keine Rede sein, auch wenn tschechisch statt slowakisch gesprochen wird und auch einige falsche Informationen vermittelt werden.
Leider bleiben die Hintergründe zu unbeleuchtet und die Psychologisierung der Protagonisten offenbart auch keinerlei Innovationen. Viel mehr hätte man aus einer solch drastischen Satire herausholen können und bei näherer Betrachtung befindet sich hinter einigen kontroversen Phrasen und einer Handvoll expliziter Gore-Effekte nicht viel diskussionswürdiges, leider verpufft jegliche Aussage zugunsten eines unglaubwürdigen Finales. Die dämliche Attitüde schlichter amerikanischer Durchschnitts-Horrorfilme lässt der Film zwar weit hinter sich, die Gelegenheit zum ätzenden gesellschaftskritischen Rundumschlag wird aber nicht genutzt. Ob es einer der unsympathischen Charaktere schafft aus der Urlaubs-Hölle zu entfliehen ist aufgrund extrem eingeschränkter Identifikationsmöglichkeiten dem Zuschauer sowieso völlig egal, da hätte Roth ein pessimistischeres und härteres Ende wählen können. Auch Jay Hernandez hätte im zweiten Teil bestimmt den Wenigsten gefehlt – letztlich will „Hostel“ aber gar nicht mehr sein als ein anspruchsloses und schockierendes Filmchen aus einem x-beliebigem Grind House.
Fazit: Längst nicht so gut wie „Cabin Fever“ und aufgrund des konventionell inszenierten Showdowns eine kleine Enttäuschung. Mehr Radikalität und cleverere Wendungen hätten dem Film gut getan, die Fortsetzung steht jedenfalls schon in den Startlöchern. Ein Sequel zu drehen und sich stattdessen nicht erstmal anderen Stoffen zu widmen halte ich für keine sehr gute Entscheidung, es sei denn Roth überrascht mit einem facettenreicheren Drehbuch.
6,5 / 10
PS: Grüße an ManCity, ist zwar erst die dreiundneunzigste Kritik, mit den Kurzkommentaren sind es aber schon weit über 100. Spätestens zum Start des zweiten Teils folgen bestimmt noch ein paar weitere Besprechungen…