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Ein Jahr nach „Saw“ folgt „Saw 2“. Der Erfolg macht es möglich. Regisseur Darren Lynn Bousman löst James Wan, der nur noch als Produzent mitwirkt, ab. Das Drehbuch von Bousman, welches ursprünglich für einen eigenständigen Film konzipiert worden ist, wurde in kürzester Zeit Saw gerecht modelliert. Erfahrungsgemäß sind das keine guten Vorzeichen und deuten eher auf einen Schnellschuss hin. Laut Genrekonventionen wird eine Steigerung folgen. Höher, weiter, brutaler, perverser!? Eigentlich trifft alles auf „Saw 2“ zu, aber in jedem Fall ist die Fortsetzung von Wans Überraschungserfolg keine Selbstzerstörung.

Der erste Teil wird plottechnisch geschickt eingebaut, so dass kreative Zusammenhänge und Rückbezüge existieren. Man merkt dem Drehbuch nicht an, dass es ursprünglich als eigenständiges Werk konzipiert wurde.

Jigsaw (Tobin Bell) wird 2 Jahre, nachdem er seine perversen Spiele begann, wieder aktiv und hinterlässt Detective Eric Matthews (Donnie Wahlberg) am Tatort eine eindeutige Spur zu seinem Aufenthaltsort. Die darauf folgende Festnahme ist aber nur der Anfang eines weiteren Spiels. Matthews Sohn Daniel (Erik Knudsen) befindet sich zusammen mit einer Kleingruppe von Leuten in einem videoüberwachten Haus, dessen Standort unbekannt ist. Fallen und Hindernissen sind natürlich inbegriffen. Die Zeit ist knapp, alle Insassen wurden vergiftet – die Wirkung ist nach 2 Stunden tödlich. Das Spiel beginnt…

Das morbide Kammerspiel des ersten Teils wird in „Cube-Manier“ praktisch auf mehrere Räume verteilt. Das Ganze passt durchaus in Jigsaws Universum, so dass man hier nicht gleich den ersten Ideenklau beanstanden müsste, zumal die charakteristische, kühle und dreckige „Saw“-Atmosphäre transportiert wird. Die Gruppe wird mit typischen Aufgaben konfrontiert, um den Wert des Lebens zu erkennen. Perversität und Brutalität sind natürlich inbegriffen. So weit so gut. Im Wesentlichen übernimmt man dabei leider die Schwächen des Vorgängers, indem man deplatzierten Humor und psychologisch untypische Verhaltensweisen präsentiert. Die größte hausinterne Schwäche ist jedoch vielmehr die Oberflächlichkeit der Charaktere. Während die Protagonisten in „Saw“ noch halbwegs charakterisiert wurden, reduziert man die Figuren in der Fortsetzung auf wandelnde Klischees, die oftmals fernab jeder Logik, mitunter im Sinne der Brutalität, von einer Falle in die nächste laufen. Die moralischen Botschaften des Killers gehen dabei nicht mehr so in die Tiefe, da der Betrachter zu wenig über die Charaktere erfährt. Ohne einfallsreiche Verknüpfungen und Verbindungen zum Ursprungswerk, würde das perverse Spiel nur mehr der exzessiven Brutalität dienen.

Dagegen erweitern die Dialoge zwischen Matthews und Jigsaw die Reihe facettenreich. Der große Unbekannte des Vorgängers erklärt seine Motive für die brutale Belehrung über den Wert des Lebens. Tobin Bell erhält viel Screentime und nutzt die Zeit, um unheimliche Souveränität, Kompromisslosigkeit und Entschlossenheit auszustrahlen. Jigsaw erklärt ausführlich, weshalb jeder, der das Leben nicht zu schätzen weiß, den Tod verdient hat. Den kongenialen Gegenpart verkörpert Donnie Wahlberg, als verzweifelter Vater und Detective.

Atmosphärisch ist man bemüht den ersten Teil stilistisch zu kopieren. Kameratechnisch oder die Kulissen betreffend, beruft man sich immer wieder auf das Erfolgsrezept des Vorgängers. Das Vorhaben gelingt - die typische Intensität und Grundstimmung von „Saw“ wird vermittelt.

Der Härtegrad ist hoch, das Steigerungsprinzip wird vor allem in diesem Bereich ersichtlich. Leider dienen mitunter auch unlogische Verhaltensweisen der Brutalität, so dass ein fader Beigeschmack im Sinne der Schaulust bleibt.

Typische Pointen und Aha-Effekte sind auch in „Saw 2“ ein fester Bestandteil des Plots. Die Wendungen sind dem Vorgänger qualitativ durchaus ebenbürtig und stehen dieses Mal selbst nach reichlicher Überlegung nicht auf wackeligen Füßen. Dabei wirken nicht nur die direkten Bezüge und Anspielungen zum Ursprung interessant – darüber hinaus ebnet man geschickt den Weg für weitere Fortsetzungen, die man vorweg nicht als sinnlose Geldmacherei abstempeln kann. Es werden weitere Facetten im Dunstkreis von Jigsaw hinzugefügt.

Die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt – „Saw 2“ ist kein sinnloser, filmischer Schnellschuss. Regisseur und Drehbuchautor Darren Lynn Bousman schenkt der „Saw“-Reihe atmosphärisch und inhaltlich eine angemessene Fortsetzung, die leider dem Schema des ersten Teils folgend, gleiche Schwächen aufweist und darüber hinaus noch einige unnötige perverse Schauwerte eingliedert. Ansonsten wurden wiederum die Urängste berührt. „Saw 2“ ist nicht wesentlich schlechter als das Ursprungswerk – und das ist sicherlich eine positive Überraschung! (8/10)

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