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Stan Laurel und Oliver Hardy bildeten das wohl bis heute berühmteste Komikerduo der Filmgeschichte. Ihr Einfluss auf den physischen Humor im Film ist unschätzbar groß, schon in ihren frühen Kurzfilmen perfektionierten die beiden einen Slapstick-Stil, der für alle Zeiten eine Messlatte bilden sollte. Beeinflusst wurde das Duo hauptsächlich durch den heute leider fast vergessenen Fatty Arbuckle, dessen Karriere Ende der 1920er ein jähes und unrühmliches Ende nahm – doch das ist eine andere Geschichte.

Mit Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd und den Marx Brothers gehörten Laurel und Hardy zur Speerspitze der amerikanischen Komödie und lieferten dem begeisterten Publikum eine hohe Veröffentlichungsdichte. In der Übergangsära vom Stumm- zum Tonfilm bewiesen die beiden ihre Vielseitigkeit und ihre schauspielerische Bandbreite. So erlebten sie in den Dreißigern ihren absoluten Karrierehöhepunkt. Mit Hal Roach (hatte schon reichhaltige Erfahrung in der Produktion von Filmreihen, z.B. „Die Kleinen Strolche“) hatten sie den idealen Produzenten an der Hand, der seinen Stars vertraute und ihnen viel künstlerische Freiheit zugestand. Vor der Kamera verliehen Stan und Ollie den zuvor geschriebenen Szenen durch wundervolle improvisatorische Raffinesse erst den richtigen Schliff und hinter der Kamera war vor allem Stan Laurel, der großen Einfluss auf inszenatorische Details ausübte.

Als sich Anfang der 40er die Wege trennte bedeutete dies den Untergang für Laurel und Hardy – mit seinen zahlreichen Eskapaden in seinem Privatleben und seinen zahlreichen Ehen (insgesamt waren es fünf) hatte Stan Laurel oftmals Streit mit Roach und letztendlich kam es zur Trennung. Roach wollte nicht mit den negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden und trennte sich von seinen größten Stars. Diese arbeiteten von nun an für die großen Hollywood-Studios wie Universal und vorbei war es mit der Einflussnahme auf die eigenen Werke. Von nun an waren die beiden nur noch Auftragsschauspieler und waren nur noch in wenigen Filmen zu sehen, die über gehobenen Durchschnitt nicht mehr hinaus kamen und nichts mehr vom brillanten Geist der Roach-Filme hatten.

Sechs Jahre nach ihrer letzten gemeinsamen Produktion „The Bullfighters“ (1949) sollten sich die guten Freunde und langjährigen Partner nochmals zusammenraufen und einen letzten Versuch starten. Leider war „Atoll K“ von Anfang an ein Fiasko. Das Budget wurde von mehreren Studios gemeinsam finanziert und der Film entstand als französisch-britisch-italienische Koproduktion. Gedreht wurde hauptsächlich in Frankreich, die Regie übernahm der weitgehend unbekannte Franzose Leo Joannon. Die Verpflichtung eines Regisseurs, der nicht im Geringsten mit dem durchweg amerikanischen Stil der Komiker zu Recht kam, stellte sich als einer der vielen Patzer in der Fehlerkette der Produktion heraus. Tatsächlich weiß Joannon nichts anzufangen mit seinen Hauptdarstellern und überlässt den Film quasi sich selbst. Eine leitende Regie ist zu keiner Zeit spürbar, die zerfahren erzählte Geschichte bietet keine Höhepunkte und reiht lediglich einige Sequenzen aneinander. Oftmals vergisst der Film seinen Handlungsverlauf und unterbricht das Tempo zugunsten altbackener humoristischer Einlagen, die schon in den frühen 50ern keinen rechten Zuspruch mehr fanden.

Ihren früheren, perfekt getimten und absurd überdrehten Meisterwerken haben Laurel und Hardy nichts mehr hinzu zu fügen. Erschreckend banal fallen Pointen, Wortspiele und Slapstickeinlagen aus und echte Lacher gibt es nur selten. Die mangelnde Spielfreude des Duos ergibt sich nicht etwa aus einer künstlerischen Unlust sondern aus dem schlechten gesundheitlichen Zustand der beiden. Sowohl Laurel als auch Hardy kämpften gegen schwere Erkrankungen an und sind im Film bereits deutlich gezeichnet von den strapaziösen Dreharbeiten. Selbst die Produktionsbedingungen waren katastrophal, schlechtes Wetter verdarb oftmals die Außenaufnahmen und finanzielle Probleme gefährdeten immer wieder auf Neue das Projekt.

Nur die unsterbliche Aura der fest aufeinander eingespielten Hauptdarsteller wird der Film vor dem endgültigen Untergang bewahrt. In einigen, wenigen Szenen erinnern ihre Kabbeleien an bessere Zeiten und so haftet „Atoll K“ in den besten Szenen etwas Wehmütiges an, ein Gefühl von Vergänglichkeit schwingt deutlich spürbar mit. Dass die Geschichte etwas dünn ist, stört nicht im Geringsten, auch die früheren Filme des Duos bestachen nicht durch komplexe Handlungen. Im Gegensatz zu den temporeichen Klassikern versagt der Film aber selbst als pures Unterhaltungsprodukt. Eine allegorische Robinsonade, die die bürokratischen Eigenheiten Mitteleuropas aufs Korn nimmt – eine ansprechende Ausgangslage für eine geistreiche Komödie. Spitzen gegen die Bürokratie gibt es vor allem am Anfang und im vorhersehbaren Finale, wenn Laurel und Hardy von raffgierigen Beamten um ihr ererbtes Geld gebracht werden und ihnen nur eine unbekannte Insel sowie ein kleines Boot bleibt. Nach dem ordentlichen Auftakt verkommt „Atoll K“ zum personenarmen Langweiler, der eine unmotiviert zusammen gewürfelte Figurenkonstellation auf einer einsamen Insel stranden lässt. Hier gehen dann aber ganz massiv die Ideen aus, besonders in Anbetracht auf die zuvor aufgebauten kritischen Seitenhiebe, die bereits nach kurzer Zeit im Sand verlaufen und – wie gesagt – erst am Ende wieder aufkommen.

Die politische Allegorie ist zwar einigermaßen geschickt in die Handlung integriert, dennoch kaum zu übersehen. Stan, Ollie und ihre beiden Begleiter (später auch eine Frau, die durch einen Zufall auf die Insel gelangt) versuchen eine absolut faire Gesellschaft zu kreieren, in der jeder gleich ist und es keine Gesetze gibt. Zum Scheitern verurteilt ist dieses Vorhaben spätestens, als die Außenwelt das Atoll entdeckt und es als Uranquelle identifiziert. Letztendlich versinkt das Atoll und die Protagonisten erreichen doch noch ihr ursprüngliches Ziel, die ererbte Insel. Doch die Stolpersteine der Steuerfahndung liegen anscheinend überall…

Laurel und Hardy selbst distanzierten sich schon kurz nach der Veröffentlichung vom fertigen Film und besonders Laurel war maßlos enttäuscht vom Endprodukt. Da das große internationale Publikum nicht mehr sonderlich interessiert war an klassischem Slapstick ging der Film auch kommerziell beinahe völlig unter, was die Hauptdarsteller ungemein beruhigte. Mittlerweile ist „Atoll K“ Public Domain und legal zum Download verfügbar – wer sich ein komplettes Bild des Gesamtwerkes der beiden Komiker machen will, der kommt um diesen Ausrutscher nicht herum.

Fazit: Der letzte Film des vielleicht besten Slapstick-Duos aller Zeiten ist leider voller Defizite und Unzulänglichkeiten. Schlecht inszeniert von einem unfähigen Regisseur, ist „Atoll K“ ein unwürdiger Abschluss für eine derartige Erfolgsgeschichte. Unter den hier zu sehenden, erbärmlichen Umständen wollten Laurel und Hardy genauso wenig weiter arbeiten wie unter der künstlerisch einengenden Diktatur eines großen Studios. Ihre Zeit war vorbei und vorliegender Film blieb ihre letzte gemeinsame Zusammenarbeit, bis zu Oliver Hardys Tod (1957) blieb ihre tiefe Freundschaft allerdings erhalten.

04 / 10

Übrigens ist „Atoll K“ in vielfacher Hinsicht Inspirationsquelle für einen der letzten Filme des italienschen Kult-Duos Bud Spencer und Terence Hill: „Zwei Asse trumpfen auf“. Diese, ebenfalls als Robinsonade angelegte Geschichte, bietet nicht nur erstaunlich viele Parallelen im Handlungsverlauf, auch einige humoristische Details wurden direkt übernommen. Als Beispiel dient dafür eine Sequenz zu Anfang der Geschichte, als der blinde Passagier an Bord des Schiffes den beiden Hauptdarstellern das Essen vom Teller klaut.

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