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Das Konzept hinter Call of Cthulhu ist so simpel wie interessant. Da H.P. Lovecraft, der Autor des zugrunde liegenden Kurzromans, bereits zu Zeiten des Stummfilms schrieb, liegt es nahe, eine ebensolche Verfilmung zu versuchen; dabei geht es nicht nur um eine möglichst originalgetreue Darstellung, wie sie wohl zu Lovecrafts Zeiten ausgesehen hätte, sondern auch um eine vorsichtige, da liebevolle Parodie (Die HPLHS versuchte sich vor diesem Film bereits an Lovecraft-Satiren). Schließlich fällt ein großer Teil des Wortvorhangs, der von Lovecraft so kunstvoll gewoben ist, und gibt den Blick frei auf eine Geschichte, die ohne die reiche, überbordende Sprache des Autors nie die Kraft erreichen könnte, die sie mit deren Hilfe innehat. Lovecraft selbst wäre womöglich wenig angetan von einem solchen Film gewesen; seine Beziehung zum Kino war eine schwierige: so wie er einige Filme in den Himmel lobte, verdammte er weitaus mehr, besonders Monsterfilme, total.

Es gilt nun, die Balance zu halten zwischen dem transportierten Horror der Geschichte und der technisch liebenswert unbedarften Technik des Stummfilms. Kann dieser Spagat überhaupt glücken, eine an und für sich todernste Erzählung unheilschwangerer Mysterien mit einem Augenzwinkern zu präsentieren, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben? Dies ist schwierig und gelingt dem Film meistens, jedoch nicht immer.
Doch Schritt für Schritt: Grundsätzlich ist der Transfer der Geschichte in das Medium des Stummfilms hervorragend gelungen, sowohl inhaltlich (das Gezeigte bleibt nahe am Original), als auch äußerlich: Der Look des Stummfilms steckt in jeder Szene. Fast alle Personen sind besonders geschminkt, tragen Lidschatten und Lippenstift, um wie damals die Kontraste, die beim schwarzweißen Dreh besonders wichtig waren, hervorzuheben. Das Schauspiel ist gut gelungen; die Mimik ist dem Mangel an Sprache entsprechend besonders ausdrucksstark, dabei jedoch nur selten zu nah am Overacting. Die optischen Effekte sind größtenteils dem Niveau der 20er Jahre angeglichen: Wasser wird durch glitzernde, dunkle Tücher dargestellt, Hintergründe sind gemalt, Requisiten in der markant-überspitzten Darstellung jener Zeit erstellt. Viel Mühe wurde in die kleinsten Details gesteckt; so gibt es ein wohl Universal nachempfundenes Titellogo mit einem kleinen Modellflugzeug, das um eine Weltkugel kreist, als eine Norwegerin spricht, entsprechend norwegische Untertitel, die mit dem passenden Wappen geschmückt sind sowie unzählige Zeitungsartikel, die in altertümelnder Sprache und Schriftsatz von grausigen Vorfällen berichten. Nie fällt die Aufmachung aus dem selbst gesteckten historischen Rahmen.

Mindestens ebenso wichtig wie die Optik des Films ist seine Musik. Nicht nur die fehlende Sprache und mangelnde Hintergrundgeräusche müssen ersetzt werden, auch die stets drohende Lächerlichkeit muss zurückgehalten werden. Hier kann ich nichts kritisieren, im Gegenteil, wir haben es hier mit einer äußerst professionellen Produktion zu tun. Der angepriesene "rich symphonic score" hält, was er verspricht. Er wird mal gewaltig, mal zurückhaltend, passt sich dabei aber immer an das Gezeigte an und wirkt stets am richtigen Platz. Bestimmte Geräusche, wie ein Schlag oder Schuss, werden durch Instrumente vertont und bei besonders bedrohlichen Szenarien (wie etwa dem Auftritt von Cthulhu selbst) löst sich die Symphonie auf in verrückte Klangszenarien, die tatsächlich eine alptraumhafte Atmosphäre heraufbeschwören.

Im Zusammenspiel von Bild und Ton offenbart sich eine Geschichte, die trotz einiger absichtlich unbedarfter und sogar abstrus komischer Momente einen grundsätzlichen Ernst beibehält. Zum Ende hin steigert sich die Bedrohlichkeit zusammen mit den immer offensichtlicher werdenden optischen Effekten. Zu einer grandiosen Kakophonie und den glaubhaft entsetzt dreinblickenden Gesichtern einiger armer Menschenwesen erhebt sich die Puppe Cthulhu in Stopmotion über dem wogenden Meer aus Laken in den Wattehimmel und überdeckt den kunstvoll gemalten Horizont. Szenen wie diese wirken aus dem Kontext gerissen sehr befremdlich, da sie in einer nicht als Satire zu verstehenden Produktion einfach zu lächerlich erscheinen. Im Zusammenhang des Films relativiert sich dieser Eindruck auf teils wunderbare, teils aber auch unkomplett wirkende Art. Man ist hin- und hergerissen zwischen dem in einigen Szenen großartig transportierten Fieberwahn des weltumspannenden Verschwörungsmythos' und den liebenswert begrenzten Möglichkeiten der in ihren Anfängen steckenden Filmkunst (denn diese wird hier mit großer Originaltreue verwandt).

Charme und Crux von Call of Cthulhu stecken in dessen Aufmachung. Obwohl man aufgrund dessen professioneller Machart immer wieder versucht ist, völlig in die grandios düstere Geschichte Lovecrafts zu versinken, holt einen die technische Umsetzung immer wieder zurück. Ob man letztlich mit diesem Film zufrieden sein wird, hängt wohl sehr vom Nostalgiebedürfnis des jeweiligen Zuschauers sowie seiner Toleranz für abstrusen Humor ab. Lovecraft selbst hätte sich wahrscheinlich lieber gleich wieder an seinen Schreibtisch zurückgezogen. Ich kann jedoch diesen Film wärmstens empfehlen; Ähnliches wird man so bald höchstwahrscheinlich nicht mehr zu Gesicht bekommen!

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