Underworld: Evolution gehört für mich eindeutig zu einer der Action-Offenbarungen 2006. Regisseur Len Wiseman setzt in der Fortsetzung des Überraschungserfolgs von 2003 auf Action nonstop, ohne dabei ermüdent zu werden. Ursprünglich plante Wiseman gleichzeitig ein Sequel und ein Prequel zu entwickeln. Geworden ist es allerdings nur ein Film, wobei ein Prequel in absehbarer Zeit entstehen könnte. Wie das unter Umständen aussehen würde, zeigt uns Wiseman hier in der top inszinierten Eröffnungssequenz. Schon diese ersten Minuten zeugen von seinem Können im Actionfach. Und seine sexy Gattin hat er noch eindrucksvoller in Szene gesetzt wie im Vorgänger. Der Mann weiß halt, in welchen Klamotten und Szenen seine Frau am besten aussieht.
Viktor (Bill Nighy) ist tot, die Welt der Vampire und Lycaner in Aufruhr. Zusammen mit dem Hybriden Michael (Scott Speedman) ist die Todeshändlerin Selene (Kate Beckinsale) nun auf der Flucht. Marcus (Tony Curren), der älteste aller Vampire, ist indessen aus seinem Jahrhundertelangen Schlaf erwacht, verändert durch das Werwolfsblut, das ihn geweckt hat. Nun hat der blutrünstige Mega-Hybrid nur noch ein Ziel: Er will seinen Bruder William (Brian Steele) finden, den ersten der Werwölfe, der von Viktor seinerzeit gefangen und eingesperrt wurde. Ihn freizulassen, könnte jedoch das Ende der Menschheit bedeuten, verbreitet er doch den Fluch in seiner pursten Form. Einmal von dem Ur-Lycaner gebissen, verwandelt man sich nämlich in einen Werwolf, ohne jemals wieder ein mensch zu werden. Um Williams Verließ zu finden, braucht Marcus allerdings Selene, deren Vater einstmals jenes Gefängnis entworfen hat...
Kate Beckinsale (Van Helsing) wurde von ihrem Mann noch atemberaubender ins Bild gesetzt und mit ihrer Performance schließt sie sich nahtlos ihren ordentlichen Leistungen aus dem Original an. Gegen sie wirken selbst Trinity und Sue Storm wie Latex-Presswürste, und Angelina Jolie, Jessica Biel und Jennifer Garner haben weiterhin ernsthafte Konkurrenz. Neben ihr wirkt Scott Speedman (Dark Blue) auch weiterhin etwas blass und kann immerhin in der Mischwesen-Form die Sau rauslassen. Den lokalen Vampirlord mit Hybrid-Antrieb verkörpert hier Tony Curran (Miami Vice), der seine Sache recht ordentlich macht. Neu hinzugekommen ist auch noch Derek Jacobi (Gladiator) als Alexander Corvinus, der trotz wenig Screentime punkten kann. Er ist nicht nur die treibende Kraft des Streifens, sondern leitet auch den nächsten Schritt der Evolution ein. Bill Nighy (Shaun of the Dead) kann in seinen kurzen Auftritten ebenso glänzen, und auch der Nebencast mit Steven Mackintosh (The Jacket) als Chronist sowie Brian Steele (Doom) unter dem Wolfskostüm als William geht in Ordnung.
Für Underworld: Evolution durfte Wiseman das doppelte Budget des Vorgängers auf den Kopf hauen, was man in erster Linie im Actionsektor zu sehen bekommt. Das Actionfeuerwerk, das er hier abfackelt, ist einfach superb und die Effekte sowie Fights nahezu makellos. Man hat sich wohltuend vom oftmals übertriebenen Matrix-Stil entfernt, reduzierte den Einsatz von Wire-Work und CGI, setzte dafür mehr auf gute alte Pyrotechnik und handgemachte Old School-Action. Recht knackig ist die und mit einem gesunden Härtegrad versehen, womit sich der Film zwar keine Freunde bei Sittenwächtern und PG 13-orientierten Kiddies, aber bei R-Rated-Fans, machen wird. Es wird herzallerliebst von Schusswaffen aller Art (ich sag nur: der deutsche Waffenmarkt boomt!) Gebrauch gemacht, Blut spritzt gleich literweise, das eine oder andere Körperteil wird auch mal unsanft entfernt, Körper mit der blanken Faust durchbohrt und ein Bad Guy per Helikopterrotor kleingehäckselt. Verwunderlich, dass man hierzulande nur den FSK 16-Stempel gezückt hat, während der erste Teil schließlich eine KJ-Freigabe erhalten hatte und wesentlich harmloser war. Denn wo Wiseman dort öfters mal auf Leerlauf geschaltet hatte, haut er hier so richtig auf die Kacke. Oftmals scheint sich Wiseman auch an Regie-Grandmaster James Cameron zu orientieren, wenn man mal Michaels scheinbare Ermordung am Pier, Selenes Umgang mit der Schrotpuste, die Verfolgungsjagd per Kleintransporter vor Sonnenaufgang und den Epilog betrachtet, die allesamt an Szenen aus Terminator 2: Judgment Day erinnern. Glücklicherweise belässt es Wiseman nicht bei bloßer Kopierarbeit, sondern verpasst den jeweiligen Sequenzen seinen eigenen Stil. Grandios auch die ganzen Locations und Sets. Dominierten im Vorgänger noch Stadtbilder im Gothic-Look, so hat man sich hier großzügig die Wälder Kanadas zu Nutzen gemacht und eine Menge altertümlicher Ruinen und Einrichtungen aufgebaut, die vor allem im genialen Showdown mächtig was her machen. Die wirklich atmosphärische Winterlandschaft tut dann noch ihr Übriges dazu. Während man hinsichtlich der Action und Set-Arbeit deutlich aufgestockt hat, so wurde die Handlung nach unten gestockt. Bestand die Story des ersten Teils noch aus teilweise spannenden Intriegen, internen Machtspielchen innerhalb der beiden Clans und einen soliden Spannungsaufbau, so beschränkt sich Underworld: Evolution überwiegend auf eine extrem scharfe und actionlastige One-Woman-Show, die dennoch ein paar interessante Nebenplots beinhaltet. Dazu gehören neben dem Chronisten Tanis auch der Plot um Alex Corvinus, der den Jahrhunderte andauernden Krieg von seinem Schiff aus beobachtet hat und über eine ganze Armee von Elite-Soldaten verfügt. Auch ist er verantwortlich für den nächsten Schritt der Evolution, die in Selene stattfindet, weshalb sie am Ende unbeschadet im Sonnenlicht steht. Selbstverständlich muss Wiseman dann noch den Angeber raushängen lassen, indem er uns seine Frau in einer sinnlichen wie großzügigen Erotik-Szene präsentiert. Aber welcher Mann würde das nicht tun, wenn er mit einer solchen Frau den Bund fürs Leben eingegangen ist? Ähnlich wie James Cameron, der Ehefrauen (darunter auch Action-Regisseurin Kathryn Bigelow, Produzentin Gale Anne Hurd) bekanntlich gleich im 5er-Pack (!) verschlissen hat, aber lediglich einst Linda Hamilton erotisch in Szene setzte. Hoffen wir doch mal das Wiseman seiner Kate treu bleiben und nicht durch irgendwelche anderen dahergelaufenen Weiber in Versuchung geraten wird. Kommen wir zum Score, der genau wie im Vorgänger auch hier aller erste Sahne ist und die Spannung noch unterstützt.
Für mich gehört Len Wiseman zu den potentiellen Nachfolgern von James Cameron und wenn der Mann wirklich den vierten Stirb langsam-Film drehen sollte, dann dürfen wir auf ein Actionspektakel aller erster Güte gespannt sein. Denn ähnlich temporeiche Action wie hier, trifft man heutzutage (leider) nur noch selten an. Herr Wiseman, der goldene Regiestuhl für den künftigen König der Action-Regisseure geht schonmal für Sie in Vorbereitung...