Review

Es ist immer schwer, sich angemessen einem Film zu nähern, der offensichtlich aus einer subjektiven Sicht geschildert wird. Del Toro gibt dem Film eine solche erzählerische Klammer, in dem er seinen Film mit der verletzt auf dem Boden liegenden 11jährigen Ofélia (Ivana Baquero) beginnt und diesen auch mit Blick auf jene Ofélia wieder enden läßt - sieht man von einer kurzen Sequenz danach einmal ab.

Durch dieses Stilmittel werden wir eins mit dem elfjährigen Mädchen, steigen wir in die Tiefen ihrer Psyche ein und erleben ihre Ängste ähnlich intensiv und einseitig mit. In diesem Zusammenhang ist viel über die parallele Fantasiewelt spekuliert worden, in die Del Toro uns führt. Ofélia sieht sich als Prinzessin, die aus einem geheimnisvollen Reich vertrieben wurde und die von einem Pan, der in einem steinernen Labyrinth haust, drei Aufgaben gestellt bekommt, um wieder in ihr Reich zurückkehren zu dürfen.

Diese "Parallelwelt" ist überaus gelungen, da sie nicht nur optisch eine ausgewogene Mischung aus kindlicher Fantasie und Grauen darstellt, sondern tiefenpsychologisch genau die Gratwanderung zeigt zwischen Realitätsflucht und Begründung der eigenen Schuld. In diesem Zusammenhang ist es auch müßig, festzustellen, daß die beiden ersten gestellten Aufgaben, sie ihrem Ziel, wieder in das Reich zurückzukehren ,nicht näher bringen, da Del Toro hier eine geniale Verzahnung zwischen dem tatsächlichen Schrecken und der inneren Verarbeitung dieser Erlebnisse gelingt.

Und an realen Schrecken gibt es in Ofélias kindlichem Universum mehr als genug. Sie muß mit ihrer schwangeren Mutter zu derem neuen Ehemann in die unwirtlichen spanischen Wälder fahren, obwohl ihre Mutter kurz vor der Entbindung steht und eine solche Reise für sie viel zu anstrengend ist. Dazu ist ihr Stiefvater ein Despot, der Ofélia keinerlei Gefühle gegenüber zeigt, aber gleichzeitig von ihr als "Vater" tituliert werden soll. Dabei ist dieser weder an ihrer Mutter noch an ihr interessiert, sondern nur an dem Sohn, den er selbstverständlich erwartet und dessen Geburt in seiner Nähe stattfinden muß.

So erlebt Ofélia eine Vielzahl von Schrecken, in die man sich als Zuschauer sehr gut einfühlen kann. Das große dunkle Haus inmitten der undurchdringlichen Wälder, die vielen Soldaten ,die immer wieder spontan ausreiten, entfernte Schießereien und eine Magd, die geheimnisvolle Dinge tut. Dazu geht es ihrer Mutter immer schlechter und sie hat Angst sie zu verlieren. Doch selbst ihre Mutter bedeutet keine Rückzugmöglichkeit mehr, da diese ihre Beziehung zu dem schrecklichen Stiefvater ständig mit realen Zwängen verteidigt - so ist es nicht erstaunlich, daß Ofélia immer stärker in ihre Fantasiewelt eintaucht, besonders da sich ihre schlimmsten Befürchtungen immer zu erfüllen scheinen.

Del Toro bleibt äußerlich kindgerecht in einem sehr kleinen überschaubaren Bereich, da das Geschehen nur in einem kleinen Radius um das Haus herum stattfindet, aber er begnügt sich nicht mit der kindlichen Sichtweise und hier bekommt seine Inszenierung einen Bruch. Ofélias Siefvater Vidal (Sergi Lopéz) ist nämlich nicht nur ein patriarchalisch strenger Mann, sondern dazu noch ein Offizier der faschistischen Armee des General Franco und Mitte der 40er Jahre dazu beauftragt, die letzten Widerständler, die sich in die Wälder zurückgezogen haben, zu bekämpfen.

Das tut er dann auch mit eisernster Grausamkeit und Del Toro zeigt uns hier einen Mann, der keinerlei Nachsicht kennt, schon beim kleinsten Verdacht brutal mordet, selbstverständlich persönlich foltert und uns ständig an seinen reaktionären und menschenverachtenden Gedanken teilnehmen läßt. Dadurch das Lopéz diesen Mann noch mit guten Manieren (zumindest in der Öffentlichkeit), gebildetem Auftreten und eiserner Selbstdisziplin zeigt, geht ein regelrechter Schauer von diesem Ungeheuer in Menschengestalt aus. Dazu bleibt er im Film auch die einzige Person, der eine gewisse psychologische Tiefe zugestanden wird, während die sonstigen Gutmenschen (der Arzt, die Magd Mercedes, die Freiheitskämpfer usw.) nur als solche zu erkennen sind.

Diese einseitige, oberflächliche Sichtweise wird mit dem kindlichen Blick des Mädchens begründet, greift aber zu kurz. Die hier gezeigten Brutalitäten, Folterungen, Kämpfe im Wald, politischen Diskurse (die allerdings äußerst knapp ausfallen) können gar nicht von Ofélia erlebt worden sein und übersteigen mit Sicherheit auch ihre Fantasie. So gibt es zum Beispiel die Szene, in der Ofélia unter den Baum kriechen muß, um die Riesenkröte zu vernichten - ihre erste Aufgabe. Leider hatte sie zuvor ein besonders schönes Kleid angezogen, daß ihr ihre Mutter für einen wichtigen gesellschaftlichen Abend des Stiefvaters genäht hatte. Als sie jetzt unter dem Baum wieder hervorkriecht, ist das Kleid natürlich völlig verdreckt.

Nur zeigt uns Del Toro diese Szene auch aus der Erwachsenensicht. Die Mutter wundert sich, während sich die ortsansässigen Honoratioren ein luxuriöses Mahl inmitten der hungernden Bevölkerung schmecken lassen und dazu ihr reaktionäres Geschwätz ablassen, daß Ofelia nicht kommt. Als sie nach ihr sucht und das völlig verdreckte Kind trifft, ist sie äußerst enttäuscht von ihr. Hier verläßt Del Toro seine überzeugende Linie, um uns Zuschauern noch ein wenig in der Ungewissheit zu belassen, ob das mit der Kröte tatsächlich passiert sein könnte. Dabei spielt das aus Ofélias Sicht gar keine Rolle.

Letztlich muß sich Del Toro fragen lassen, welche Intention er damit verfolgte. Wollte er uns die Greuel des Faschismus zeigen und ihr menschenverachtendes diktatorisches Regime ? - Dazu hätten wenige Szenen genügt, mal ganz abgesehen davon, daß seine zu plakative Sichtweise Niemanden zum Denken anregt. Denn sein klares undifferenziertes Gut/Böse Schema, daß dazu noch durch Terminator-artige Szenen zum Ende hin, in denen sich Vidal als unzerstörerisches Monster zeigt, der Lächerlichkeit preis gegeben wird, kann keinerlei Argumente oder tiefgreifendere Gedanken dazu beitragen, warum sich Bevölkerungen immer wieder von wenigen Despoten unterjochen lassen.

Fazit : Bei der abschließenden Betrachtung von "Pans Labyrinth" bleibt ein zwiespältiges Gefühl zurück, denn die kindliche Sicht mit ihrer Fantasiewelt ist großartig gestaltet und das Schicksal der kleinen Ofélia berührt wirklich.

Doch von diesen Emotionen sollte man sich nicht darüber ablenken lassen, daß Del Toros Sicht auf Faschismus und Widerstand sensationsheischend, plakativ und mit der Figur des Offiziers, die als Einzige faszinierend gestaltet ist, auch etwas fragwürdig ist. Wie immer ist ein gegenteiliges Extrem dem zu kritisierenden Gesichtspunkt näher, als eine differenzierte, vielschichtige Sichtweise. Verirrte Geister können sich in einem so wenig Schwäche zeigenden Mann wie Vidal durchaus spiegeln.

Nur die Welt der kleinen Ofelia rettet Del Toro hier vor der Einseitigkeit und hinterläßt ein gutes Gefühl und so ist in "Pans Labyrinth" nicht der Wechsel zwischen ihrer realen und ihrer Fantasiewelt schwer nachvollziehbar, sondern zwischen der Kinder- und der Erwachsenenwelt, deren Abgrenzung Del Toro nicht deutlich macht (7/10).

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