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Wenn man sich an einen bayrischen Film heranwagt, dann kann man sich in aller Regel sicher sein, dass man es entweder mit einer Klamotte alla Bully zu tun bekommt, mit kitschigem Müll oder das der schwergewichtige Ottfried Fischer als "Bulle von Tölz" seine Runde macht. Nun, wer mich kennt der weiß, dass ich bayrischen Filmen, trotz sächsischer Heimat, immer wieder gerne eine Chance gebe, dass mir die bayrische Mundart und Lebensweise teils durchaus zusagt und ich vom Tölzer Bullen schon seit Jahren Fan bin. Doch an "Wer früher stirbt, ist länger tot" habe ich mich dann doch lange nicht so ganz rangetraut, denn einen Film, der 100 Minuten in tiefster Mundart spielen soll und dabei auch noch eine Mischung aus Drama und schwarzer Komödie ist, dass kann doch ziemlich leicht ins Auge gehen. Jetzt, nachdem ich das Werk endlich begutachtet habe, muss ich allerdings gestehen, schon lange hat mir ein deutscher Film nicht mehr so viel Freude beschert, wie dieser hier!

"Wer früher stirbt, ist länger tot" ist eine schwarze Komödie, wie sie im Buche steht, welche aber nie die nötige Dramatik außer acht lässt und sich in ernsteren Momenten nie mit den einzelnen Genres verheddert. Es geht um den jungen Sebastian, welcher eines Tages, durch Zufall, erfährt, dass seine Mutter bei dessen Geburt gestorben ist. Von Schuldgefühlen geplagt, macht sich der leicht naive Junge nun auf dem Weg, um sich vor dem (laut seines Bruders) sicheren Weg in die Hölle zu schützen, in dem er u.a. versucht, für seinen Vater eine neue Frau zu finden. Doch das ist alles leichter gesagt als getan, zumal ihm auch all die schrägen Gestalten aus seiner näheren Umgebung nicht gerade hilfreich dabei sind. Doch Sebastian gibt nicht auf... Schräg, lustig, traurig und dabei in jedem Moment Menschennah, so ist die Geschichte zu Marcus H. Rosenmüllers Kinohit ausgefallen. Figuren, die wie aus dem echten Leben geschnitten sind, welche sich in Situationen begeben, die auf der einen Seite absurd, auf der anderen Seite realistischer wie eh und je sind. Ohne moralischen Zeigefinger, sondern immer darauf bedacht, den Zuschauer zu unterhalten, mal in Form von Lachtränen, mal in Form von echten Tränen, spielt sich ein Kinovergnügen auf der Leinwand ab, das zwar seine bitteren Momente nie verbirgt, dabei es aber dennoch immer schafft, ein Lächeln auf das Gesicht der Zuschauer zu zaubern.

Denn der Humor ist hier zwar wirklich tiefschwarz, aber ein wirkliches lustig machen, über die hier und da und vor allem im Kern tieftraurige Szenerie, kommt nie und nimmer vor. Der schwarze Humor resultiert eher aus den absurden Momenten heraus, in die Sebastian immer wieder verstrickt wird. Z. Bsp. wenn er von einigen Dorfleuten einige Tipps bekommt, wie man sich am besten vermehren kann, und Sebastian dies kurz darauf bei seiner Lehrerin ausprobiert. Oder wenn er einer alten Dame dabei hilft an die frische Luft zu gelangen, diese kurz daraufhin aber einen Berghang hinabrollert. Oder wenn er einen Taubenschiss als Zeichen seiner verstorbenen Mutter sieht, als er diese an dessen Grab um eben jenes bittet, dann kann man sich schon einmal so richtig auf die Schenkel schlagen vor lachen, auch wenn man die eigentliche Bitterkeit dahinter nicht übersieht. Vor allem auch die Reihe von buchstäblichen Zufällen, die immer wieder so manche Wendung in der kuriosen Storyline bewirkt, man denke nur an die Szene mit dem dreimal klingelnden Telefon, sind hier mitunter wirklich zum schiessen gut.

Doch die eigentliche Traurigkeit der Figur, vor allem was die Schuldgefühle gegenüber der eigenen Mutter angeht, ist dennoch ständig spürbar, genauso wie dessen Sympathie, welche vor allem aus der Naivität resultiert. Sebastian hat mitunter höllische Alpträume, glaubt viel zu leicht an dieses oder jenes und hat doch immer wieder den Charme, dass man ihm nicht böse sein kann, ja sich teilweise mitunter sogar in ihm und seinem Tun widerspiegelt. Es gibt kaum einen Moment an dem man nicht an seine eigene Kindheit zurückdenken muss, wenn man ihm bei seinen Versuchen, irgendwie ein besser Mensch zu werden, zusieht. Durchtränkt werden diese realistischen Momente mit gekonnten Fantasiemomenten, z. Bsp. durch das Fegefeuer von dem Sebastian immer wieder träumt oder der Gruselgeschichte, welche er seinen Freunden bei einer Geburtstagsparty erzählt. Eine kurze Pause von dem sonst so realistischen Bild, welche aber ebenfalls kaum menschlicher sein könnte.

Schwierigkeiten dürften alle Nichtbayern aber sicherlich in der Mundart sehen, die hier zwar nicht unbedingt auf die Spitze getrieben wird, aber doch konsequent durch den ganzen Film gezogen wird. Kaum eine Figur spricht hier nicht bayrisch und dürfte somit für manchen schon ein Kreuz darstellen, wenn es darum geht den Film, ohne Untertitel, zu verstehen. Doch wer sich schon früher mit der so ganz eigenen bayrischen Sprache befasst hat und ab und zu auch mal ein Wort durch den Zusammenhang in der einzelnen Szene versteht, der dürfte sich an dieser mutigen Entscheidung der Filmemacher eigentlich nicht zu lange stören.

Und auch von der inszenatorischen Seite gibt es hier kaum etwas zu meckern. Obwohl der Film durchweg wirklich Ur-Bayrisch gestaltet wurde, so sind viele der Rundum-Details dennoch für ganz Deutschland konsumierbar. So ist z. Bsp. die Kulissenauswahl einfach nur prächtig, die Szenengestaltung bestens und vor allem die Arbeit an Kamera und Schneidewerktisch traumhaft. Dazu eine tolle Musikauswahl, welche, von bayrischen Urklängen bis hin zu bester Jimmy Hendrix-Mucke, wirklich alles auf dem Kasten hat und somit ein weiteres Muss in der Soundtracksammlung darstellt.

Abgerundet wird das deutsche Meisterstück nun letztendlich noch durch seine Darsteller, bei denen vor allem die Kinderdarsteller überraschen. Der kleine Markus Krojer, welcher im gleichen Jahr noch fürchterlich im TV-Weihnachtsschmarn "Rettet die Weihnachtsgans" agierte, legt hier eine 180 Grad Umdrehung in Sachen Schauspielleistung hin und spielt seine erwachsenen Darsteller allesamt buchstäblich an die Wand. Seine Darstellung des kleinen Sebastian ist nicht nur umwerfend gut, sondern auch zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar. Man kann sich mit der Figur, wie schon erwähnt, selbst als Erwachsener super identifizieren, was vor allem auch Krojers Leistung zu verdanken ist. Aber auch alle anderen machen eine wunderbare Figur. Von hölzernem Schauspiel kann zumindest hier nie die Rede sein.

Fazit: Ein wunderbarer Film! "Wer früher stirbt, ist länger tot" hat alles zu bieten, was man von einer gelungenen Tragikomödie erwarten darf. Eine genauso witzige wie rührende Geschichte, schräg-sympathische Charaktere und eine Humorkomponente, die zwar manchmal schwarzer wie die Nacht ist, aber nie die eigentliche Tragik der Geschichte für billige Zoten ausnutzt. Hier darf genauso gelacht werden, wie man manchmal weinen möchte, hier fühlt man sich beim Zuschauen rundum wohl und man hat vor allem seine eigene Kindheit 100 Minuten lang vor Augen, selbst wenn man vielleicht nie solche Erlebnisse hatte, wie die Figuren im Film. Die bayrische Mundart, die tolle Kulissenauswahl, sowie der großartige Soundtrack runden das Treiben dann zu einem wohligen Ganzen ab. Für Bayern sicher ein Muss und für den Rest von Deutschland der Beweis, dass die ganzen Vorurteile gegenüber dem südlichen Zipfel des Landes, einen guten Film aus dieser Region nicht ausschließen müssen.

Wertung: 9/10 Punkte

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