Auch Hollywood scheint sich mittlerweile dem Einfluss von Independentfilmen nicht mehr verwehren zu können: Neben den großen Blockbustern wie „The Departed", „Blood Diamond" oder „Dreamgirls" - um nur einige zu nennen - avancieren auch die kleinen, eher preisgünstigen Produktionen mehr und mehr zu Oscargewinnern. Ein Trend der in der jüngeren Vergangenheit mit „Pulp Fiction" (1994; Budget um die 130 000 Dollar) ihren Höhepunkt erreichte und die großen Hollywoodstudios aufhorchen ließ: Bei Produktionskosten fernab der zigfachen, astronomischen Millionenbudgets sind also auch kommerzielle Erfolge möglich. Beste Beispiele in jüngster Vergangenheit: "Brokeback Mountain" (ca. 14 Mio. Dollar Budget) und eben „Little Miss Sunshine" (ca. 8 Mio. Dollar Budget), die beide zu Dauergästen auf Filmfestivals weltweit wurden.
Der Clou an solchen eher kleinen Filmen liegt auf der Hand: Wenn kein Geld für teure Spezialeffekte da ist, müssen anderweitig Schauwerte erzeugt werden, die die Menschen dazu bewegt, ins Kino zu gehen. Hier ist Originalität gefragt: Herzerwärmende Geschichten, unkonventionell erzählt - das wird vom Publikum angenommen. So verwundert es auch kaum, dass Michael Arndt in seinem oscargekrönten Skript zu „Little Miss Sunshine" eine ebenso simple wie dennoch gerade deswegen einfach zauberhafte Geschichte erzählt: Eine entfremdete Familie fährt die Tochter mit dem klapprigen VW-Bus zu einem Schönheitswettbewerb und findet wieder zusammen. Doch halt: Das ist nur die halbe Wahrheit. Dieses Handlungsgerüst wäre banal, würden sich nicht all die Skurrilitäten auftun, wie es hier der Fall ist. Die unendlich sympathischen Figuren hauchen dem Film erst Leben ein und machen ihn zu einem solchen grandiosen Kleinod, als welches er auch von Kritikern gepriesen wird.
Da hätten wir den Vater (Greg Kinnear, „Unzertrennlich"), einen gescheiterten Lebenshilfeguru, der immer nur weiß, was andere zu tun haben; den schweigenden Sohn (Paul Deno, „Fast Food Nation"), der den ganzen Tag nur Nietzsche liest und auch ansonsten eher nihilistische Züge aufweist; die sorgsame, aber frustrierte Mutter (Toni Collette, „The sixth Sense"); den homosexuellen, intellektuellen Bruder der Mutter (Steve Carell, „Jungfrau, 40, männlich, sucht"), welcher nach einem Selbstmordversuch gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde; den notgeilen und schroffen heroinsüchtigen Opa (Oscar für Alan Arkin, „America´s Sweethearts") und eben die kleine und süße Tochter Olive (Abigail Breslin, „Signs - Zeichen"). Zusammengepfercht in einem alten VW-Bus spiegeln sie den Prototyp des Klischees einer White-Trash-Familie perfekt wider - inklusive zahlreicher Diskussionen über Sex im Alter(sheim) und Verlierergeschichten. Dass das niemals langweilig wird und diese Odyssee über die Straßen quer durch Amerika durchaus weitestgehend unterhält, ist einer gehörigen Portion von Humor und dem frischen Inszenierungsstil von den Videoclip-Regisseuren Jonathan Dayton und Valerie Faris zu verdanken.
Als dann die Reise zu Ende ist und der Schönheitswettbewerb stattfindet, gelingt dem Film gar eine erschreckende Erkenntnis: Der ganz alltägliche Wahnsinn in der Familie ist noch relativ normal im Angesicht der überkandidelten Schicki-Micki-Misswahlen für Kids, bei denen die Kleinen derart verhätschelt und der Lächerlichkeit preis gegeben werden, dass durch den (eher peinlichen) Auftritt von Olive und ihrer Familie selbiger ausbeuterischer Zirkus durchaus passend kommentiert wird. Das macht „Little Miss Sunshine" als Film nur noch sympathischer.
Fazit: Herzerwärmend, liebenswert, süß... Ich könnte noch hundert weitere positive Eigenschaftsworte aufzählen, die diesen kleinen, aber äußerst feinen Film passend charakterisieren würden. „Little Miss Sunshine" ist ein origineller Beitrag zum neuen Independentkino und beweist trotz seiner enorm starken Verwurzelung im Alltag - oder gerade deswegen -, dass die schönsten Geschichten nicht immer die kompliziertesten sein müssen und es nicht immer teuren Spezialeffekten bedarf, um ein Publikum zu verzaubern. Auch wenn wie im echten Leben wahrlich nicht alles perfekt ist: Sehr stark! Selten habe ich mit einem so breiten Lächeln das Kino verlassen!