3. Oktober 2018

Beitrag

von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Milder Grusel aus Deutschland

Die Augen der Mumie Mâ (1918)

Das am 3. Oktober 1918 uraufgeführte Grusel-Drama "Die Augen der Mumie Mâ" avancierte in kurzer Zeit mit seinem Mix aus Phantastik, Mystery, Tragik, Erotik und Exotik zu einem beachtlichen Publikumsliebling. Regisseur Ernst Lubitsch, weit eher für seine Komödien mit dem berüchtigten Lubitsch-Touch berühmt, profitierte von diesem Film ebenso sehr wie auch seine Stars: Harry Liedtke, Emil Jannings – als verschlagener Araber – und Pola Negri – als verführerische Mâ... Letztere machte insbesondere den exotischen Touch des Films für seinen ungemeinen Erfolg in der endenden Kriegs- und der unmittelbaren Nachkriegszeit verantwortlich. Ihr Spiel, vom verführerischen Mienenspiel bis hin zum Barfußtanz, beeindruckt heutzutage sicherlich am meisten, war Negri doch nicht grundlos einer der reizvollsten deutschen Stars der Stummfilmära. Jannings sorgt nach hundert Jahren als chargierendes Blackface hingegen eher für unfreiwillige Komik, die damals sicherlich kaum wahrzunehmen war.
Wer angesichts des Titels und der – durchaus berechtigten – Etikettierung allerdings einen reinrassigen Horrorfilm aus dem Subgenre des Mumienfilms erwartet, dürfte sich geprellt sehen: Statt einer Mumie gibt es hier bloß eine gefangene Schönheit, deren Augen hinter den Löchern eines Wandreliefs Leben in ebendieses bringen – auf Geheiß des zwielichtigen Radu, der damit den legendären Ruf des Grabmals der Mumie Mâ aufrecht erhält. Albert Wendland, ein Maler, durchschaut das Spiel, befreit die Eingesperrte und nimmt sie mit sich nach Deutschland, wo sie vor Gästen als exotische Tänzerin auftritt. Aber Radu folgt ihnen und es ist nicht zuletzt Mâs abergläubische Furcht, die ihren Untergang besiegelt: Während Wendland dafür sorgt, dass sein angefertigtes Gemälde der Frau nicht in Radus Hände fällt, dringt ebendieser in die Gemächer der auf sich allein gestellten Frau ein und erdolcht sie.
Die magischen Mächte und die abergläubische Furcht vor ihnen bilden den phantastischen Teil dieses eher als Liebesdrama angelegten Klassikers, der ganz nebenbei genderpolitisch und im Hinblick auf Künstler-Muse-Verhältnisse sowie im Hinblick auf den Aberglauben bezüglich Abbildungen einiges zu bieten hat. Ein stimmiges Ganzes ergeben diese Momente allerdings bloß, wenn man den Film als rassistische Abwertung des Fremden betrachtet: Sozialisiert mit ihrer engen Verbindung mit einem Wandrelief fürchtet die rückständige Frau die Verwendbarkeit ihres Porträts – und wird infolgedessen auf ganz natürliche Weise zum Opfer des arabischen Meuchelmörders. Und dass in Wendlands Milieu vielmehr ihre Tanznummern vor Publikum ihrer Augenroll-Nummer hinter dem Wandrelief in Radus Regime gleichen und sich Mâs Position letztlich lediglich in Ansätzen verändert hat, wird weder von Mâs Figur, noch von Regisseur Lubitsch und seinem Autor Hanns Kräly, der später wesentlich bessere Bücher geschrieben hatte, sonderlich reflektiert. Besonders gut gealtert ist dieser eher untypische Lubitsch wohl nicht, aber als richtungsweisender Publikumserfolg für seine Schöpfer und Stars zählt er durchaus zu den relevanten Titeln seines Jahrgangs.
Das US-Label Alpha bietet den Film preisgünstig auf DVD (Fassungseintrag von PierrotLeFou); angesichts der geringen Qualität dürfte Nicht-Sammlern die Sichtung eines Public-domain-Streams jedoch ausreichen...

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