L'histoire d'Adèle H. (1975)
Erstmals seit Mitte der 60er Jahre nahm sich François Truffaut nach seinem meisterhaften "La nuit américaine" (1973) wieder merklich Zeit, ehe er einen weiteren Film in die Kinos brachte: Etwa zwei Jahre vergingen, nachdem er zuvor ein bis zwei Filme im Jahr herausbrachte. Einen Film über Victor Hugos Tochter Adèle hatte Truffaut schon länger geplant: Deren Tagebücher waren Mitte der 50er Jahre entdeckt und ab 1968 von Frances Vernor Guille in Buchform herausgegeben worden. Truffauts Ko-Autor Jean Gruault hatte schon 1970 eine Drehbuchfassung verfasst, sechs weitere folgten, ehe dann die von Gruault, Truffaut und Suzanne Schiffman auf Basis von Guille und Hugo verfasste Version zur Grundlage eines Spielfilmprojektes wurde. Insbesondere die Rechtslage, aber auch Finanierungs- udn Besetzungsfragen verzögerten das Projekt, in dem schließlich Isabelle Adjani für die Hauptrolle verpflichtet werden konnte. Truffaut gab seinerzeit an, Adjani habe ihn als bisher einzige Schauspielerin noch auf dem Fernsehbildschirm zu Tränen gerührt. Und so spielt sie, die in Roman Polanskis "Le locataire" (1976) die Affäre einer paranoid schizophrenen Hauptfigur spielen sollte, in dem am 19. September 1975 uraufgeführten "L'histoire d'Adèle H." selbst die Tochter eines berühmten Literaten, die Züge der Schizophrenie aufweist. Den Nachnamen vom Vater, Victor Hugo, den Vornamen von der Mutter, versucht sich Adèle Hugo an einer Abnabelung, die mit einem Fall von Liebeswahn einhergeht: Einem Offizier, Pinson, ist sie verfallen, für den sie jedoch kaum mehr war als eine flüchtige Affäre, die allmählich lästig zu werden beginnt. Als Miss Lewly folgt sie ihm, gibt sich später als Pinsons Frau aus; seine Liebe versucht sie mal zu erpressen, mal mit Geschenken zu sichern. Dabei führt ihr weg zunehmend tiefer in den Wahn und letztlich ins Sanatorium. Adjanis sensibles Spiel und die manchmal dissonante, zerrissene, manchmal fiebrig aufwühlende Musik Maurice Jauberts bringen diesen Prozess eindringlich näher, wobei das Psychogramm letztlich viele Fragen offen lässt und manche Stationen etwas holzschnittartig präsentiert. Adjani konnte sich nach dem Film jedenfalls, 20jährig, über eine Nominierung als Beste Hauptdarstellerin freuen. Nach Claude Pinoteaus "La gifle" (1974) fungierte auch "L'histoire d'Adèle H." nochmals als entscheidende Sprosse ihrer Karriereleiter.
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