8. März 2022

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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Frauen bei Truffaut

Une belle fille comme moi (1972)

Zum Internationalen Frauentag sollte man ja eigentlich eine andere Art von Film erinnern: Klassiker des feministischen Films, der ja in den frühen 70er Jahren seinen Boom erlebte, von Jane Arden bis Regina Ziegler... Stattdessen soll es hier ein Film sein, der den schönen Titel "Une belle fille comme moi" trägt, aber trotz dieser angekündigten Perspektive doch eine männliche Hauptfigur verwendet und letztlich auf den Blickwinkel zweier Männer zurückgeht; auf François Truffaut und Henry Farrell... Henry Farrell ist mit seinen Drehbüchern und Romanvorlagen vor allem einem Horror- und Psychothriller-Publikum bekannt, basieren auf seinem Schaffen doch zahlreiche Vertreter des hag horrors, vor allem "What Ever Happened to Baby Jane?" (1962), "Hush...Hush, Sweet Charlotte" (1964) und "What's the Matter with Helen?" (1971). Anstelle der labilen, nicht ganz zurechnungsfähigen, nicht mehr ganz hübschen, aber dafür etwas bedrohlichen Alten – mit welcher diese Horror- und Psychothriller-Sparte ihrem Publikum ein tiefes Unbehagen bereiten wollte –, lieferte Farrell mit dem Roman "Such a Gorgeous Kid Like Me" (1967) die verführerische femme fatale (nicht nur) der Kriminalliteratur.
Truffaut drehte nach diesem Roman vom 14. Februar bis zum 14. April 1972 "Une belle fille comme moi", der Mitte September zur Uraufführung gelangte. Zu dieser Zeit hatte er sich von männlichen Hauptfiguren verabschiedet und war über die Liebeskomödien und -dramen seiner Fortsetzungen des Antoine-Doinel-Zyklus oder über "La peau douce" (1964) zu weiblichen Haupt- und/oder Titelfiguren vorgestoßen: In "La mariée était en noir" (1968) agierte Jeanne Moreau als Rächerin; in seinem hitchcockschen "La sirène du Mississippi" (1969) war Catherine Deneuve die falsche Braut und Sirene des Titels, derweil Jean-Paul Belmondo noch die Identifikationsfigur war; in "Les deux anglaises et le continent" (1971) kehrte Truffaut – nach eigener unglücklicher Beziehung mit Deneuve – zu seiner Dreiecksbeziehung aus "Jules et Jim" (1962) zurück – diesmal allerdings mit zwei Frauen, die auch die Titelfiguren darstellen.
"Une belle fille comme moi" setzte diese Entwicklung fort, bevor Truffaut den leicht autobiografischen Metafilm "La nuit américaine" (1973) vorlegte, in dem der von Truffaut gespielte Regisseur, der seine Schauspieler und Schauspielerinnen in Szene setzt, "der einzige ist, der nicht bumst", wie Truffauts Kollege und früherer Freund Jean-Luc Godard dem einstigen Weggefährten in einem bösen Brief an den Kopf warf. Damit hat Godard durchaus einen Punkt, denn der Regisseur, der seine Musen in Szene setzt (wie es auch Godard selbst jahrelang getan hatte), war im Siegeszug des Feminismus, mit dem Mitte der 70er Jahre Laura Mulveys (Film-)Theorie vom male gaze einherging, nicht mehr unproblematisch: und Truffauts Historiendrama "L'histoire d'Adèle H." (1975) mit einer leidenden Isabelle Adjani erschien manchen bereits etwas unzeitgemäß, wohingegen "L'homme qui aimait les femmes" (1977), Truffauts Abkehr von dieser Phase weiblicher Haupt- und/oder Titelfiguren, etwas eitel und leicht chauvinistisch anzumuten droht (wäre Truffaut nicht so charmant und Hauptdarsteller Charles Denner, der auch in "Une belle fille comme moi" zu sehen ist, nicht so charismatisch). In diesen Kontext fällt also "Une belle fille comme moi": eine Männerphantasie, die ironischer- oder unverfrorenerweise davon handelt, dass ein Mann der Selbstdarstellung einer kaum vertrauenswürdigen Frau auf den Leim geht; einer gewieften Frau immerhin, von der der Mann genarrt wird. Denn André Dussollier spielt einen Soziologen, der infolge von Interviews mit einer inhaftierten Kriminellen (Bernadette Lafont) ihre Entlassung herbeiführen kann, um letztlich selbst für einen Mord ins Gefängnis zu wandern, den die Begehrte in ihrer neu erlangten Freiheit begeht. Mit schwarzem Humor verarbeitet Truffaut hier allerlei Hollywood- und film noir-Einflüsse: durchaus geschickt und recht unterhaltsam; aber der sich wandelnden Leinwandpräsenz von Frauen(figuren) in Zeiten des frühen 70er-Jahre-Feminismus hat Truffaut, der homme qui aimait les femmes, auch mit diesem Titel, der die weibliche Perspektive explizit verspricht, nicht unbedingt Rechnung getragen.
Mehr? Review von Bretzelburger

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