Mùi du du xanh - L'odeur de la papaye verte (1993)
Vor bald zwei Jahren hatte er "Éternité" (2016) fertiggestellt, der bislang noch kein großes Echo erhalten hat und hierzulande noch nicht regulär zu sehen gewesen ist. Aber auch schon um das japanische Liebesdrama "Noruwei no mori" (2010) und den US-Thriller "I Come with the Rain (2009) ist es ziemlich ruhig geblieben. Tran Anh Hungs große Erfolge liegen etwas weiter zurück; es waren seine ersten, jeweils in Vietnam angesiedelten Filme: Das Liebesdrama "Mùa hè chieu thang dung" (2000, Ein Sommer in Hanoi), vor allem aber das Kriminaldrama "Xích lô" (1995, Cyclo) und sein Debüt, die leise Romanze "Mùi du du xanh", konnten sich weitestgehend des großen Kritikerlobs erfreuen - auch wenn damals beispielsweise das Lexikon des internationalen Films kritisierte, dass Zeitgeschichte und der Status der Frau keine Rollen spielten. Tatsächlich taucht Zeitgeschichte nur am Rande vor: Von den frühen 50er Jahren bis in die frühen 60er Jahre erstreckt sich die Handlung - und bloß ein Sirenengeheul hier, ein Düsenflieger dort verweisen vage auf die politische Lage, von welcher der Film und seine Hauptfigur gar nicht weiter Kenntnis nehmen. Mui - als Erwachsene von Tran Nu Yên-Khê, der Lebensgefährtin des Regisseurs, gespielt - kommt schon als junges (Dienst-)Mädchen in das Haus einer Händlerfamilie, wo sie für mehrere Jahre, ihre ganze Jugendzeit hindurch, ihren Dienst verrichten wird. Und der Film ist eher bei den kleinen Details, bei den Ameisen in Großaufnahmen, bei den saftigen Papayas, bei den Fröschen, beim Zirpen der Insekten und dem Zwitschern der Vögel, im satten Grün der Gräser und weniger bei dem ergreifenden, kleinen Familiendrama, das sich um Mui herum entwickelt - und sie als Herangewachsene schließlich in die Dienste eines jungen Musikers führt. Dort wird sie, so darf man erahnen, die Liebe und ihr Glück finden; und dennoch erscheinen ihre Jahre als Dienstmagd nicht harte Bürde, sondern als angenehme Erinnerung: Mit einem Lächeln bereit sie am Schluss eine Papaya zu, so wie es ihr früher beigebracht worden ist. Ein sinnlicher Akt, inszenatorisch voll ausgekostet, der das reine Dasein feiert. Tran Anh Hungs erster Langfilm, der - wie das Making Of verrät - gar nicht in Vietnam, sondern in einem französischen Studio entstanden ist, ist ein Film über die genügsame Freude an der bloßen Sinnlichkeit und am Erleben. Kameramann Benoît Delhomme und die wundervolle Ausstattung sind ihm dabei eine große Hilfe.
Wer einen politischen Film über das Vietnam der 50er Jahre erwartet, wird angesichts dieses geruhsamen, sinnlichen, menschlichen und vielleicht auch etwas mystischen Films sicher nicht ganz glücklich werden. Wer ein geruhsames, sinnliches und beinahe minimalistisches Kino liebt, dürfte sich geradezu verlieben; nicht grundlos erntete dieses Debüt sowohl einen César als auch die Caméra d’Or. Bei der Oscar-Verleihung hingegen verlor er ausgerechnet gegen Fernando Truebas "Belle Epoque" (1992).
Ausgesprochen kostengünstig ist der Film bei Capelight zu bekommen: Fassungseintrag von brokenpromisering