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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Ein Thriller-/Noir-Klassiker nach Radio-Hörspiel

Stichwörter: 1940er Drama Fletcher Hörspiel Jubiläum Klassiker Kriminalfilm Litvak Noir Spielfilm Stanwyck Thriller USA Verfilmung

Sorry, Wrong Number (1948)

Da wird man einmal am Telefon falsch verbunden und schon macht einen eine Fehlschaltung zum Ohrenzeugen einer bekundeten Mordabsicht. Mehr noch: Man ist körperlich stark eingeschränkt und kommuniziert einigermaßen hilflos nur per Telefon. Noch schlimmer ist dann nur noch die Erkenntnis, dass man selbst offenbar das vorgesehene Opfer ist. Vor 80 Jahren kam Lucille Fletchers Hörspiel "Sorry, wrong Number" heraus, das noch heute zu den einflussreichreichsten und bemerkenswertesten Hörspielen der US-Radio-Hörspiel-Geschichte zählt. Eine Adaption für den gepflegten Fernsehabend folgte schon 1946: eine halbstündige Ausstrahlung, dicht an der Vorlage, von der keine Aufzeichnung existiert. Ein Kino-Spielfilm kam dann am 1. September 1948 heraus: inszeniert von Anatole Litvak, der hiermit und mit dem wenige Monate später folgenden "The Snake Pit" (1948) zwei seiner Hauptwerke vorlegte. Die originelle, beunruhigende Prämisse – mehr horror story als Kriminalthriller – wurde für die Filmversion merklich ausgestaltet. Die von Barbara Stanwyck verkörperte, an einem Herzleiden krankende Hauptfigur erhält weit mehr Profil, wird nuanciert und ambitioniert charakterisiert; vor allem die Beziehung zu ihrem Gatten (Burt Lancaster) gibt ein zentrales Thema das Films ab – und doch ist die Dramaturgie straff und "Sorry, Wrong Number" selbst (mehr noch als Alfred Hitchcocks im selben Jahr erschienener "Rope" (1948)) trotz aller Einschübe und Rückblenden noch ein früher, zurückhaltender, vergleichsweise konventionell erzählter Vorläufer des Thrillers auf begrenztem Raum, von "Phone Booth" (2002) über "Buried" (2010) bis heute gerne auf die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie zurückgreifend, die Bewegungen gewährleisten, die im Bereich des Räumlichen kaum stattfinden. Als Vorbild mag man indes Robert Siodmaks "The Spiral Staircase" (1946) mit seiner gehandicapten weiblichen Hauptfigur in Erwägung ziehen, doch ist bereits dieser mit seinen Eingriffen in die eigene Romanvorlage Fletchers Hörspiel nachgefolgt, das in gewisser Weise als Keimzelle eines zweiten beliebten Motivs des populären Thrillers gesehen werden kann: neben dem begrenzten, von der Telekommunikation erweiterten Raum ist da eben auch die fragile, gehandicapte Frau, die sich mit ihrem Manko gegen die männliche Bedrohung stellen muss. Verfilmt wurde der Stoff noch unzählige Male, vor allem für das Fernsehen. Ein Kuriosum ist die hochgradig elegische Variante vom spirituellen Minimalisten Aleksandr Sokurov... Im kollektiven Gedächtnis ist aber scheinbar einzig Litvaks Version hängengeblieben.
Mehr? Review von Moonshade...


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