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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: rape & revenge, gender & race in Andronovs bulgarischem Klassiker

Stichwörter: 1970er Andonov Bulgarien Drama Haitov Historienfilm Jubiläum Klassiker Literaturverfilmung Spielfilm

Kozijat rog (1972)

Rauer Wind, eine knarzende, grobe Holztür, Hundegebell: So abweisend und unwirtlich beginnt die Titelsequenz des am 14. Februar 1972 uraufgeführten historischen Rachedramas "Kozijat rog", ehe sich dann der harmonische Gesang einer Frauenstimme über die Bilder legt. Hier klingt andeutungsweise an, was der Film dann in seinem Haupteil wiederholen wird: wenn sich die Liebe über einen unbarmherzigen Rachefeldzug legen wird...
Metodi Andonovs Rachedrama gehört zu den Großtaten des bulgarischen Kino und kann retrospektiv in eine rape & revenge betitelte Sparte des Genrefilms gesteckt werden, zu dessen Vorläufern vor allem Ingmar Bergmanns Historiendrama "Jungfrukällan" (1960) und Wes Cravens Semi-Remake "Last House on the Left" (1972) zählen. Von den 70er Jahren an wird es bis heute regelmäßig bedient – und "Kozijat rog" gehört, sofern man den Film überhaupt im Kontext dieser seinerzeit kaum vorhandenen Sparte betrachten möchte, sicherlich zu den besseren Vertretern; führt sogar mehr noch als Cravens Klassiker die Frau als Rächerin ein (wenn sie auch nicht sich selbst, sondern vielmehr ihre Mutter rächt). Die Qualitäten liegen etwa darin, dass die Frau hier weder wehrloses Opfer noch kaltschnäuzige Rächerin ist: denn die Tochter, die hier mit sieben Jahren die tödliche Vergewaltigung an ihrer Mutter in Abwesenheit des Vaters ansehen musste, beginnt zwar mit 16 Jahren auf Geheiß des Vaters an seiner Seite einen Rachefeldzug, auf dem sich dann aber bald auch Mitgefühl einstellt. Allerdings benötigt "Kozijat rog" für solch eine Frauenbild einen Kniff, hat doch der Vater seine Tochter nach dem Tod der Mutter wie einen Jungen großgezogen, da für Frauen in dieser Welt kein Platz sei... und sie eben auch auf Kampf und Rache gedrillt. Nicht zufällig bahnt sich ihr erster Mord bei Surwa- oder Kukeri-Feierlichkeiten an, wo Vater und knabenhaft ausstaffierte Tochter unter den zumeist bloß von Männern getragenen erschreckenden Masken auftreten. Als die Tochter ihre Gefühle wiederentdeckt, kommt alsbald auch ihre äußerlich feminine Seite wieder zum Vorschein. So wenig progressiv fällt dieser bulgarische Klassiker dann doch aus... Erfreulicherweise konzentriert sich Andonov auf den Werdegang nach der Tat, auf die Konditionierung, die Selbstfindung, den Wandel und die damit verbundenen Konflikte; derweil die Tat schon in der zehnten Minute über die Figuren hereinbricht und in der 15. Minute bereits wieder vorüber ist.
Eine andere Qualität liegt sicherlich darin, dass der Film das Leben im Bulgarien des 17. Jahrhunderts faszinierend in Szene setzt: Kärgliche Alltagsszenen, die Surwa oder Kukeri und der Hintergrund der Fremdherrschaft des Osmanischen Reiches ergeben ein reichhaltiges Gesamtbild, das mit langen Einstellungen und kontrastreichen S/W-Bildern in beeindruckender Rhodopen-Landschaft eingefangen wird... Dabei wird der drittgenannte Aspekt deutlich in der Dramaturgie – nach einem Buch des Schriftstellers Nikolai Haitov – verankert: Die Mutter wurde von Türken vergewaltigt, der fanatische Vater, der seine Tochter in gewisser Weise selbst für seine Zwecke missbraucht, beschwört eine Eskalation herauf, als er die Liebe seiner Tochter zu einem (scheinbar auch türkischstämmigen) Hirten nicht akzeptieren kann. Und das Ziegenhorn, das in jeden Racheakt involviert ist, ist nicht bloß phallische Waffe, sondern ein Markenzeichen, das den künftigen Opfern zeigen soll, aus welcher Ecke die Mordtaten kommen.
Das Ergebnis sahen seinerzeit weit über vier Millionen Zuschauer(inn)en in Bulgariens Kinos; im Ausland hagelte es Nominierungen und Prämierungen – wenn auch keine Oscar-Nominierung, für welche der Film ins Rennen geschickt worden war. Und 1994 folgte dann noch eine modische, aber schwächere Neuverfilmung in Bulgarien. Einen genaueren Überblick über die Handlung liefert die ausführliche Inhaltsangabe von HappyHarry mit dem Harten


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