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von ratz

Vor 25 Jahren: Jonathan Glazers langsamer Weg zum Erfolg beginnt

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Sexy Beast (2000)

Ganze vier Langfilme in 23 Jahren, davon der jüngste, „The Zone of Interest“ (2023), mit dem Auslands-Oscar geehrt – die Karriere des Regisseurs und Drehbuchautoren Jonathan Glazer ist ungewöhnlich zögerlich und keineswegs immer so erfolgreich verlaufen. Als Glazers Langfilm-Erstling „Sexy Beast“ am 13. September 2000 in Toronto vorgestellt wurde, wirkte der Gangsterfilm zunächst wie ein weiterer Beitrag zum Thema „Tarantino und die Folgen“, doch wer genauer hinschaute, konnte schon damals Glazers eigenwillige Bildsprache und ein tieferes Interesse an den Figuren wahrnehmen, die über das Genre hinauswiesen.

„Gangster No. 1“, „Sexy Beast“ (beide 2000) und „44 Inch Chest“ (2009) bilden die Gangsterfilm-Trilogie der Außenseiter-Drehbuchautoren Louis Mellis und David Scinto – das Duo mischte Anfang der 2000er Jahre die britische Filmszene auf, um dann wieder komplett aus ihr zu verschwinden. Mellis und Scinto traten kompromißlos auf und überwarfen sich mit verschiedenen Produzenten, brachten aber aus eigener Halbwelt-Erfahrung authentische Handlungen und stimmige Milieu-Dialoge mit. Regisseur Jonathan Glazer war ebenfalls ein Neuling in der Branche, hatte er sich doch bisher zwar mit stilvollen Werbe- und Musikvideos einen Namen gemacht (u.a. für britische 90er-Jahre Stars wie Massive Attack, Blur und Jamiroquai), war jedoch noch auf der Suche nach seinem ersten abendfüllenden Spielfilm. Zunächst war geplant, die Regie für Mellis‘ und Scintos „Gangster No. 1“ zu führen, doch dieses Projekt scheiterte (bzw. wurde von Paul McGuigan übernommen), worauf „Sexy Beast“ in Angriff genommen wurde. Dessen Noir-inspirierter Plot legt den Fokus nicht auf den finalen spektakulären Bankeinbruch, sondern auf den Psychoterror, den der Scherge Don (Ben Kingsley) auf den unwilligen Ex-Gangster Gal (Ray Winstone), dessen Ehefrau und Freunde ausübt, um Gal zur Rückkehr aus dem sonnigen Spanien nach London zu bewegen. Ben Kingsley füllt die Rolle des unberechenbaren, abstoßenden, unablässig fluchenden Soziopathen mit furchterregender Präsenz aus (die ihm eine Nominierung für den Nebenrollen-Oscar einbrachte). Ray Winstone zeichnet dagegen facettenreich einen sensiblen Mann, der mit seiner kriminellen Vergangenheit abgeschlossen hat und nun in Todesangst versucht, sich selbst, seine Frau und sein Leben gegen Don und den Londoner Mob zu verteidigen. Glazer wiederum konterkariert die bedrohlichen, vulgären Gangsterdialoge mit teils surrealen Sequenzen, die nicht immer als (Tag-)Traum von Gal gekennzeichnet sind. Das Gespür für außergewöhliche Stoffe, eindrückliche visuelle Komposition sowie für unterschwellige Stimmungen sollten über „Birth“ (2004), „Under the Skin“ (2013) bis zu „The Zone of Interest“ zu Glazers Markenzeichen werden.

„Sexy Beast“ war zwar kein Kassenflop, segelte allerdings eher im Windschatten von Guy Ritchies inhaltlich verwandtem „Snatch“ (2000, Anniversary-Text), der wenige Wochen vorher erschienen war. Erst durch die DVD-Auswertung erreichte „Sexy Beast“ allmählich sein Publikum und die erlangte die Anerkennung der Kritiker, sicherlich auch rückwirkend nach dem Erfolg von Glazers späteren Filmen. Während diese aktuell bequem verfügbar sind, müssen für die vergriffenen deutschen und britischen Blu-ray-Ausgaben von „Sexy Beast“ Sammlerpreise gezahlt werden. Als Stream ist Glazers Erstling derzeit nur beim amerikanischen Apple-TV im Angebot.







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