Die Bergkatze (1921) & Cluny Brown (1946)
Am 14. April erlebte Lubitschs Stummfilm "Die Bergkatze" (1921) seine Premiere, seine letzte echte Solo-Regiearbeit, "Cluny Brown", kam ein Vierteljahrhundert später in Kinos, je nach Quelle irgendwann zwischen Anfang Mai und Anfang Juni 1946. Es sind gegensätzliche Extreme in gewisser Hinsicht: europäisch hier, amerikanisch dort, stumm hier, tönend da... Und doch gleichen sie sich auch wieder: natürlich wegen des legendären Lubitsch-Touches; aber auch wegen der äußeren Umstände, denn beide Filme fungieren in Lubitschs Filmografie als kleine Marksteine.
"Die Bergkatze" erscheint auf der Höhe von Lubitschs deutschsprachigen Stummfilm-Erfolgen: "Carmen" (1918), "Madame Dubarry" (1919), "Sumurun" (1920) oder "Anna Boleyn" (1920) begeisterten ihrerzeit Publikum und die Kritik, waren teils gar in der Lage, das Renommee des deutschen Films im Ausland gehörig zu verbessern. Und dann erlebte Lubitsch mit "Die Bergkatze" eine heftige Schlappe – gleichwohl diese Komödie eindeutig zu den größten Lubitschklassikern überhaupt gezählt wird. Die Groteske – abermals ein Schneefilm, nachdem schon allein im Vorjahr "Kohlhiesels Töchter" (1920) und "Romeo und Julia im Schnee" (1920) diesem Setting gehuldigt hatten – variiert nochmals ein Romeo-&-Julia-Thema, indem sie eine Räubertocher und einen Leutnant in Liebe zueinander entflammen lässt, derweil sie freilich geradezu verfeindeten Milieus entstammen und noch dazu jeweils bereits in andere Heiratspläne verwickelt sind. Am Ende kommen sie dann nicht zusammen: Die Geliebte vergrätzt den Geliebten vorsätzlich mit unsäglichem Verhalten, als sie die zu großen Unterschiede erkennt – und beide werden mit ihren ursprünglichen Geliebten glücklich... Das ist freilich nicht die Art von Happy End, die man in einem Lustspiel erwartet; erschwerend kommt hinzu, dass Lubitsch das Militär in ein denkbar lächerliches Licht rückt... auch das stieß 1921 nicht auf den breiten Geschmack. Dass Pola Negri, eine der interessantesten Größen des Stummfilms überhaupt, hier eine Paraderolle ergattert hat und dass Lubitschs höchst ungewöhnliche und abwechslungsreiche Kadrierung der Bilder, half damals kaum, verleiht dem Film aber gerade mit seinen damals wenig wertgeschätzten Aspekte heute enormen Klassikerstatus. Auf diesen damaligen ersten großen Misserfolg, dem heute Klassikerstatus zukommt, folgte dann mit "Die Braut des Pharaos" (1922) wieder ein erfolgreicherer Film, der mit Exotik, Massenszenen und epischer Größe seine Visitenkarte für Hollywood darstellte, das als Ziel schon längst für ihn festgestanden hatte... Im Dezember 1922 sollte er von Bremerhaven aus seine Reise in die USA antreten.
Überzeugen kann man sich von den Qualitäten des Films mit der empfehlenswerten Blu-ray von Eureka, die in der Masters of Cinema-Reihe in einer schmucken Lubitsch in Berlin-Edition sechs Lubitsch-Klassiker anbietet: Fassungseintrag von Oldtimes
"Cluny Brown" stellt noch einmal am Ende seiner Karriere ein anderes Auf-und-ab dar: Keine Top-Flop-Top-Folge, keine Flop-zu-Top-Mutation im Wandel der Jahre und der Filmgeschichtsschreibung, sondern eine letzte echte Lubitsch-Arbeit liegt hier vor, die gerahmt wird von zwei anderen Lubitsch-Filmen, in denen aus gesundheitlichen Gründen Otto Preminger, ein anderer ausgewanderter Deutscher, einspringen musste: "A Royal Scandal" (1945) setzte Otto Preminger fort, weil ein Herzinfarkt Lubitsch vorübergehend aus dem Verkehr gezogen hatte. Das Resultat stieß auf nicht allzu viel Gegenliebe. Nach "Cluny Brown" folgte dann noch "That Lady in Ermine": abermals ereilte Lubitsch ein Herzinfarkt: diesmal sein letzter, ein tödlicher... Und abermals sprang Preminger in die Bresche. "Cluny Brown" klemmt dazwischen, als einziger echter, reiner Lubitsch der Nachkriegszeit... Nach einem Roman von Margery Sharp entwirft Lubitsch in einem Vorkriegsengland einmal mehr eine humorvolle Milieuschilderung, die hier die Upper Class in den Blick nimmt... und wie in "Die Bergkatze" düpiert auch hier eine Frau ihren Angetrauten, indem sie sich in feiner Gesellschaft denkbar profan verhält: Cluny Brown, die Titelheldin, repariert nämlich einen Abfluss... Anders als in der "Bergkatze" wird hier aber eben ihr ebenso widerspenstiges Gegenstück als Sympathieträger des Publikums ausgewiesen. Mit dieser unkonventionellen Frau kommt nämlich am Ende ein tschechischer Widerstandskämpfer zusammen, dem die Nationalsozialisten verständlicherweise arge Bauchschmerzen verursachen. Ihr Happy End finden sie dann in den USA, nicht in Europa; und im Reichtum, denn der Widerstandskämpfer und Akademiker hat nun mit erfolgreichen murder mysteries Karriere gemacht... Die Flucht ins Private zu Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt am Happy End, das einem freilich (insbesondere im Erscheinungsjahr 1946) Schauer über den Rücken jagen muss(te); und die britische Upper Class, die anders als das Liebespaar weiterhin in England verbleibt, scheint dem, wovon man 1946 wusste, dass es zwischen 1939 und 1945 blühte, ganz und gar nicht gewachsen zu sein... Und so reiht sich "Cluny Brown", obwohl tonal eher sanft und ruhig, dann doch irgendwie in die Reihe von "Ninotchka" (1939) oder "To Be or Not to Be" (1942) ein... was auch Bretzelburger in seinem lesenswerten Review ähnlich sieht...