Keetje Tippel (1975)
In der Filmografie Paul Verhoevens nimmt "Keetje Tippel" eine Sonderstellung ein: Der am 6. März 1975 uraufgeführte "Keetje Tippel", bei dem es sich damals um den kostenspieligsten Film der Niederlande handelte, wirkt doch einigermaßen untypisch zwischen den übrigen Arbeiten des Regisseurs, der schon in "Wat zien ik" (1971) und "Turks fruit" (1973) wesentlich frivoler verpönte Motive, etwa Fetische und Körperflüssigkeiten, in den Blick gerückt hat, um in späteren Arbeiten immer drastischere Schilderungen von Sexualität und Gewalt einzubinden. "Keetje Tippel" setzt somit zwar einerseits eine gewisse Kontinuität fort, basiert als dritter Langspielfilm in Folge abermals auf einer Romanvorlage (den Memoiren Neel Doffs), besetzt abermals nach "Turks fruit" die Hauptrollen mit Monique van de Ven und Rutger Hauer, wirkt aber zugleich im Gesamtwerk trotz (auch sexueller) Gewalt und einer Thematik wie der Prostitution, trotz hustender, ausgelaugter Arbeiterinnen und blutiger Straßenschlachten doch recht zahm: weil die pittoresken Bilder aus niederländischen Orten des späten 19. Jahrhunderts die nur rar gesäten und verleichsweise behutsamen Bilder mit Schockpontential überlagern und den Mantel des Vergangenen über diese eigentlich direkt affizierenden Bilder legen; und weil die Handlung allen Schrecken zum Trotz doch einigermaßen erbaulich und zuversichtlich endet. Ein beinahe zynisches, pessimistisches ursprünglich vorgesehenes Ende hatte man ebenso weggelassen wie die weniger handlungsrelevanten Elemente, die den Film zum Bild einer Epoche und einem Sittengemälde machen sollten. Stattdessen ist es bei der kleinen Geschichte der Titelfigur Keetje Tippel geblieben, die als Färberin aus der Armut kommend ausgebeutet wird, sich schließlich als Prostituierte verdingt und letztlich – schwer enttäuscht von der Beziehung mit dem moralisch zweifelhaften Banker Hugo – mit dem sozialistischen Andre zusammenkommt. Verhoeven will späterhin – vielleicht auch wegen der Beschneidungen des Stoffes – häufiger über eine Neuvefilmung nachgedacht haben; indes blieb es bloß bei vagen Parallelen im teils ähnlich gelagerten Sozialmärchen "Showgirls" (1995).
Einen etwas anderen Zugang zum Film findet Bretzelburger in seinem Review…
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