Amarcord (1973)
Am 18. Dezember 1973 kommt "Amarcord" heraus: Fellinis großer Erinnerungsfilm an das Rimini Anfang/Mitte der 30er Jahre; im Titel selbst bereits das "ich erinnere mich", das "io mi ricordo", in einem Dialekt präsentierend, den Fellinis aus seiner eigenen Rimini-Zeit bestens kannte. In Rimini kam Fellini 1920 zur Welt. Er zog nach Rom, als er etwa 19 Jahre alt war. In "I vitelloni" (1953), seinem schönsten Frühwerk, schilderte er bereits das Leben in einer kleinen Küstenstadt an der Adria, dem einer der titelgebenden Müßiggänger schließlich durch den Fortgang in die große Welt entkommen wird – als einziger seiner Clique. Seit 2003 gibt es in Rimini das Fellini Museum. Und der ganz große Rimini-Fellini-Film ist "Amarcord": ein Film, der mit seinen prallen Farben, den derben Späßen, den schrägen Gesichtern und kauzigen Figuren, den kleinen Geschmacklosigkeiten sowie mit der Episodenhaftigkeit vielleicht der Fellini-Film par excellence ist, auch wenn sein Schaffen an die Glanzlichter "La dolce vita" (1960) und "8½" (1963) nicht wieder heranreichen sollte... Dasjenige aber, was bald als "fellinesk" galt, kristallisierte sich immer mehr heraus und steht in "Amarcord" in voller Blüte. Ein Film aus dem Hauptwerk Fellinis, aus der Zeit zwischen dem internationalen Hit "La dolce vita" und dem letzten Nino-Rota-Fellini "Prova d'orchestra" (1979). Es ist eine leichter Film geworden; leichter als die vorangegangene Petronius-Verfilmung oder seiner Emanzipationsgeschichte, leichter als ein "8½" mit seiner Schermut und den bedrückenden Ängsten, leichter als seine Dramen, in denen noch das Neorealismus nachhallte. Dabei tost im Film bereits der Faschismus, dessen Übel hier aber über das Eintrichtern von Abührmitteln kaum hinausgehen: die Drastik eines "La caduta degli dei" (1969) oder "1900" (1976) mit einer Pathologisierung der Faschisten bleibt weitgehend aus; kein Zweifel bleibt allerdings am hohen Zuspruch der breiten Bevölkerung, die zwischen Katholizismus, Sexualität, Erotik, Flatulenz, Speisen, Alkohol, Feiern und Musik nicht sonderlich aufgeklärt wirkt. Und auch hier gibt es diesen Drang in die Ferne, den Blick auf das Meer, das kollektive Bezeugen eines gigantischen Ozeanriesen, das eines de Highlights in diesem Film ist, der wie so viele Fellini-Filme den Vorwurf aushalten muss, auszuleben, was er kritisiert: Hier wird nicht nüchtern seziert und analysiert, sondern es gibt einen nachsichtigen Blick auf die ganz menschlichen Dummheiten und Schlichtheiten, deren durchaus humoristischen Folgen dankbar aufgegriffen werden. So wie in "Satyricon" (1969) die Dekadenz beim Gastmahl des Trimalchio oder in "Ginger e Fred" (1986) die platten TV-Exzesse vorgeührt und zugleich zelebriert werden, wird hier eine ahnungs- und hilflose Schlicht- und Dummheit bezeugt und sinnlich vorgeführt, die sich sehnsüchtig ins Ferne (hinter weitem Meer, hinter weichen Stoffkleidern) oder faschistisch in Träume von Stärke und Übergröße flüchtet. Dem Cast nach eher ein untypischer Fellini-Filme – mit Magali Noël und Ciccio Ingrassia als kleinen Stars –, ist "Amarcord"-wieder mit Stamm-Mitarbeitern Fellinis bewerkstelligt worden: Nino Rotas Musik verdelt auch diesen Fellini, Marcellos Bruder Ruggero Mastroianni hat auch diesen Film geschnitten, die Kamera führte einmal mehr Giuseppe Rotunno, die Kostüme stammten wieder einmal von Danilo Donati. Mit seinem Freund Tonino Guerra schrieb Fellini hier erstmals ein Drehbuch: diese Zusammenarbeit sollte sich noch einige Male wiederholen.
Ein kleines Jubiläum darf bald auch die deutsche Warner-DVD bald feiern, die im April 2024 immerhin gut 20 Jahre alt geworden sein wird: Fassungseintrag von Suge Knight
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