Chapeau Claque (1974)
Der Chapeau Claque, der Klappzylinder, ist die hutgewordene, um weltmännisch-kultivierte Außenwirkung ringende Geschmacklosigkeit, die passenderweise am ehesten noch mit Zauberkünstler(inne)n und Revuen assoziiert wird. Wer heute noch mit einem ordentlichen Zylinder das Haus verlässt und eine Feier aufsucht, muss mitunter damit rechnen, dass ihm irgendein Komiker beinahe den Zylinder zerknittert, weil er ihn für einen ordinären Klappzylinder hält. Diese Mischung aus Stil und Geschmacklosigkeit, aus Kultiviertheit und Konsumismus, aus Extravaganz und banaler Praktikabilität ist auch Thema in Ulrich Schamonis am 6. September 1974 uraufgeführten "Chapeau Claque". Schamoni, der hier nach "Quartett im Bett" (1968) nochmals mit Insterburg & Co. – also Insterburg, Karl Dall, Peter Ehlebracht und Jürgen Barz – arbeitete (wobei sie alle hier nur kleine Rollen unabhängig voneinander erfüllen), brilliert hier selbst in der Hauptrolle. Die "fröhliche Beichte eines Faulenzers" – so der Titelzusatz – dreht sich rund um Hanno Giessen, der mit Anfang/Mitte 30 als Erbe eines Klappzylinder-Produzenten gut vom Familienbesitz und -vermögen zehrt, auch wenn die Firma einst Konkurs anmelden musste. Er lebt in den Tag hinein, auf seinem kleinen, aber ganz stattlichen Anwesen, hütet Europas vielleicht größte Sammlung kitschiger Hasenfiguren und sammelt Werbetafeln, lässt sich wiederholt mit Freude besuchen und reibt dem Publikum gerne seine nicht unbedingt sonderlich weisen Weisheiten unter die Nase: "Gott gibt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf" gehört unter ihnen zu den erträglicheren. Wo er seinen Sinn in der Gesellschaft finden will, das treibt ihn durchaus selbst um; wie gut, dass sich eine junge Schulabgängerin seinem müßigen Lebenswandel anschließt: er gibt sich oberlehrerhaft in seiner Position, die ein bisschen der des Sugar Daddies gleicht, sie oszilliert zwischen Abhängigkeit, Dreistigkeit, Selbstvermarktung und Eigensinn. Beide Figuren suchen noch ihren Platz, beide machen keine gute Figur dabei; beide bieten genug Momente, um sich ansatzweise wiedererkennen zu können. Am Ende darf das Publikum die große Frage mit nachhause nehme: Wo findet man seinen Sinn in der Gesellschaft, wo macht man sich nur etwas vor und lässt sich von Bequemlichkeiten und Resignation treiben?
Zum 40. Jubiläum ist der Film bei Schamoni Film & Medien auf DVD erschienen: Fassungseintrag von Furunkel
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