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von ratz

Vor 100 Jahren: Buster Keatons erste Langfilme erscheinen

Stichwörter: 1920er Jubiläum Keaton Klassiker Komödie slapstick Spielfilm Stummfilm USA

Three Ages (1923) / Our Hospitality (1923)

Von den drei erfolgreichsten Hollywood-Stummfilmkomödianten stand Charlie Chaplin lange unangefochten an der Spitze, gefolgt von Buster Keaton und schließlich Harold Lloyd. Doch betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, so scheint es, als würde vor allem Buster Keaton allmählich aus dem Schatten des übermächtigen Chaplin heraustreten und ihm ebenbürtig werden, sowohl was die Verfügbarkeit und Restaurierungen seiner Filme betrifft, als auch die Aufmerksamkeit heutiger Filmkritiker. Dabei mag es eine Rolle spielen, daß Keatons Herkunft, Persönlichkeit, Fähigkeiten und wechselhafte Karriere ungleich interessanter sind als die von Chaplin oder Lloyd. Schon als Kind hatte Keaton im Vaudeville-Theater seiner Eltern auf der Bühne gestanden und mit seiner akrobatischen Körperbeherrschung für Aufsehen gesorgt. Nach seinen Anfangsjahren im Film als Sidekick von Roscoe ‚Fatty‘ Arbuckle machte sich Keaton 1920 unabhängig und produzierte eigene Kurzkomödien mit sich selbst in den Hauptrollen (siehe „Neighbors“, Anniversary-Text). Mit den markanten Eigenschaften seiner Leinwandfigur (ein unbewegtes Gesicht, in dem die großen, ausdrucksvollen Augen jedoch Bände sprechen, ein flacher Porkpie-Hut sowie waghalsige, stets selbst ausgeführte Stunts) setzte er sich deutlich gegen Chaplin und Lloyd ab und wurde so erfolgreich, daß er 1923 seine ersten beiden Langfilme vorlegen konnte.

„Three Ages“ startete am 21. Juli und trägt noch deutliche Spuren eines Versuchsballons. Keaton hatte das konventionelle Sujet der Brautwerbung gewählt und dieses in drei Episoden der Menschheitsgeschichte inszeniert: in der Steinzeit, im alten Rom und in der Gegenwart der 1920er Jahre. Typische Szenen wie der erste Flirt, das Vorstellen bei den Brauteltern sowie das Ausstechen von Konkurrenten werden in den drei Zeitaltern parallelgeführt – Hintergrund war, daß bei Mißerfolg der Film in drei Kurzfilme hätte umgeschnitten werden können. Entsprechend fehlt ein narrativer Rhythmus, der die durchaus vorhandenen gelungenen Gags verbindet. Ganz anders kommt dann „Our Hospitality“ daher, der am 25. November 1923 in die US-Kinos kam. Hier bildet der Hintergrund einer tödlichen Familienfehde einen durchaus tragischen Kern, aus dem sich ein Romeo-und-Julia-Plot entwickelt. „Our Hospitality“ glänzt mit aufwendigen Kostümen und Sets, einer beweglichen Kamera und natürlich mit sorgfältig choreographierten Gags. Vor allem einige ausgedehnte (und urkomische) Eisenbahnszenen geben einen Vorgeschmack auf den ultimativen Keaton-Klassiker „The General“ (1926). Indessen bieten beide Filme jeweils ein spektakuläres Finale, in dem Keaton Originalität, Wagemut sowie seine immer wieder erstaunlichen athletischen Fähigkeiten unter Beweis stellt.

Ebenso grandios wie Keatons Aufstieg war jedoch sein beruflicher und privater Niedergang: nach dem finaziellen Flop von „The General“ ließ sich der Selfmade-Man überreden, beim Major-Studio MGM zu unterzeichnen, was seine künstlerische Freiheit entschieden einschränkte. Es folgten Zerwürnisse, Alkoholismus, nur sporadische Filmauftritte und eine Vielzahl mißlungener Projekte. Erst in den 1960er Jahren gab es eine Keaton-Renaissance, die der unverwüstliche Komiker beim Schopf ergriff und jede Gelegenheit bis zu seinem Tod 1966 wahrnahm, auf der Leinwand oder im Fernsehen zu erscheinen. Keatons umfangreiches Stummfilm-Œuvre liegt inzwischen fast vollständig restauriert auf Blu-ray vor, zumindest im englischsprachigen Ausland: Für „Our Hospitality“ sei das Triple-Feature von Eureka! empfohlen (Fassungseintrag), „Three Ages“ ist zwar bei uns schon preisgünstig zu haben (Fassungseintrag), jedoch darf man auch hier auf die im August erscheinende neue Restaurierung, ebenfalls bei Eureka!, gespannt sein.


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