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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Warhold & Morrissey – Nach Frankenstein: Dracula

Stichwörter: 1970er Dallesandro de-Sica Horror Italien Jubiläum Kier Klassiker Komödie Morrissey Polanski Sex Spielfilm Splatter USA Vukotic Warhol

Dracula cerca sangue di vergine... e morì di sete!!! (1974)

Infolge der Kommerzialisierung von Paul Morrissey und Andy Warhol, die mit ihren Undergroundfilmen die sexuelle Revolution mit vorangetrieben hatten, haben sich beide – Warhol als Produzent, Morrissey als Regisseur – den Ikonen des Horrorfilms bzw. der -literatur zugewandt: Frei nach Mary W. Shelleys gothic novel "Frankenstein or The Modern Prometheus" (1818) verhandelten sie in "Carne per Frankenstein" die sexuelle Revolution der Gegenkultur und den nationalsozialistischen Körperkult im Kontext eines Frankenstein-Verschnitts, mit dem am 1. März 1974 folgte dann mit "Dracula cerca sangue di vergine... e morì di sete!!!" frei nach Bram Stokers victorian gothic novel "Dracula" (1897) ein bizarres Blutsauger-Drama, das weit eher mit dem blutsaugenden tragischen Vampirgrafen, dessen Zeit gekommen ist, sympathisiert als mit dem etwas narzistischen kommunistischen Bediensteten. Abermals vereinen sich progressive und reaktionäre Momente in einerm komödiantischen Splatterfilm mit Erotikeinlagen, der neben Udo Kier und Joe Dallesandro nun auch noch den neorealistischen Meisterregisseur Vittorio De Sica als Marchese, der seine Töchter nur zu gern dem kränkelnden Grafen aus dem Osten feilbietet, Roman Polanski als miesen Kleingauner und Milena Vukotic als eine der Töchter des Marchese zu bieten hat. Angesiedelt in einem katholischen Italien, dem der Faschismus unmittelbar bevorsteht, sucht der auf Jungfrauenblut angewiesene Aristokrat (Kier) vergeblich nach ebendiesem, derweil der kommunistische Hausdiener (Dallesandro) die Töchter des Hauses entjungfert ... Neben kleinen, kuriosen Highlights – De Sicas mehrfaches, unterschiedlich betontes Aussprechen des Namens Dracula oder Kiers Badewannen-Blut-Kotzorgie nach dem Genuss verdorbenen Blutes – zieht der Film seine Spannung vor allem aus der irritierenden Charakterisierung von Kommunist/Bediensteter (selbstbezogen) und Aristokrat/Blutsauger (tragisch), die über die Figur De Sicas entscheidend um Differenzierungen angereichert wird, sowie aus dem Bild des Ostens, aus dem sowohl der Kommunismus als auch der (als Bild des Kapitalismus so dienstbarer) Vampirgraf kommen. Neuere Produktionen wie Julian Radlmaiers "Blutsauger" (2021) oder Yorgos Lanthimos' "Poor Things" (2023) zeigen, dass sich der Kunstmensch und die Vampirgra(e)f(inn)en noch heute bestens eignen, um gesellschaftliche Entwicklungen zu kommentieren. Im Gegensatz zu "Carne per Frankenstein" konnte sich "Dracula cerca sangue di vergine... e morì di sete!!!" schneller über vergleichbare Vampirfilme mit Subtext freuen, die sich aber vielfach deutlicher als links präsentierten. Vor allem aber knallte "Dracula cerca sangue di vergine... e morì di sete!!!" mitten in eine Filmlandschaft hinein, in der der Vampirismus hochgradig sexuell aufgeladen war: Bei Morrissey ist nun ausgerechnet der Vampir ein entkräfterer, schwächlicher Hahnrei, der auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse dringend angewiesen ist, aber nicht zum Zug kommt. In einer Zeit, in der längst die kommerzielle Verwertbarkeit des sexuellen Revolution entdeckt worden war, besitzt dieser Aspekt fast schon prophetische Züge.
In diesem Jahr kommt der Streifen bei Plaion Pictures im Mediabook neu heraus: Eintrag von polenmafia


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