Beau travail (1999)
Die französische Fremdenlegion und die Mythen, die sich um sie ranken, machen sie in der Filmgeschichte zu einem beliebten Sujet von handfesten Abenteuerfilmen. Als Claire Denis, die Grand Dame des europäischen Autorenkinos, am 4. September 1999 beim Filmfestival in Venedig „Beau travail“ vorstellte, wurde erwartungsgemäß kein einziges Klischee bedient. Inzwischen markiert der Film Denis‘ ersten großen internationalen Erfolg bei Kritikern und Publikum und gehört zum festen Lehrstoff an Filmhochschulen.
Dabei wirkt „Beau travail“ keinesfalls akademisch, sondern ist eine vielschichtige Reflexion über Männlichkeit, Fremdheit und Kolonialismus, gehalten in Denis‘ individueller Filmsprache, die im Anniversary-Text zu „J’ai pas sommeil“ (1994) bereits trefflich beschrieben ist: indirekt erzählt und assoziativ montiert, werden beim Zuschauer eher Denkräume geöffnet als Thesen festgeschrieben. „Beau travail“ entfaltet in Rückblenden die spannungsgeladene Beziehung zwischen drei Fremdenlegionären: dem Offizier Galoup (Denis Lavant), dem jungen Rekruten Sentain (Grégoire Colin) und dem erfahrenen Kommandanten Forestier (Michel Subor). Denis verlegt dabei Herman Melvilles Buchvorlage „Billy Budd“ von einem Segelschiff in die ostafrikanische Wüste von Dschibuti und vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart. Der britische Komponist Benjamin Britten hatte Melvilles Novelle 1951 bereits für die Opernbühne adaptiert – Ausschnitte davon sind auf der Tonspur von „Beau travail“ zu hören. Ebenfalls thematisch markiert ist Jean-Luc Godards Nouvelle-Vague-Klassiker „Le petit soldat“ (1963), denn der Hauptdarsteller Subor trägt in beiden Filmen denselben Rollennamen. Diese intertextuellen Bezüge eröffnen zwar einen weiten diskursiven Raum, sind aber für das erste und unmittelbare Sehen des Films nicht notwendig. Denn „Beau travail“ fesselt mit der Sinnlichkeit seiner Bilder, überraschend kontrastierenden Schnitten und subtilen Andeutungen. Wie werden die Fremdenlegionäre von der afrikanischen Bevölkerung gesehen? Wie sehen sie sich selbst, wenn sie uniformiert durch die ärmlichen Stadtviertel schlendern? Welche Rolle spielen afrikanische Frauen, wenn sie mit den Legionären in der Disco verführerisch tanzen? Verbirgt sich hinter der Abneigung von Galoup gegenüber Sentain mehr als nur Eifersucht? Ist Galoup in seinen Rückblenden mit dem knappen Voiceover überhaupt ein verläßlicher Erzähler? Die eigenwillige und unvoreingenommene Weise, wie Denis den Männerkosmos Fremdenlegion betrachtet und ihm dabei unerwartete „weibliche“ Perspektiven abgewinnt, wie die Kamera von Agnès Godard die Gesichter und muskulösen Körper in ihren Bewegungen einfängt, machen „Beau travail“ zu einem Film, den man mehr als einmal sehen muß – und sei es nur, um den unglaublichen Solo-Tanzauftritt des Energiebündels Denis Lavant in der letzten Szene noch einmal zu bestaunen.
Vergleichbare Genre-Unterwanderungen hat Denis 2001 mit dem Horrorfilm „Trouble Every Day“ und 2018 mit dem Sci-Fi-Film „High Life“ unternommen, doch während „Trouble Every Day“ inzwischen zum Klassiker gereift ist, braucht „High Life“ wohl noch etwas Zeit... „Beau travail“ liegt beim Streaminganbieter Mubi mit deutschen Untertiteln vor, die Criterion Collection hat die ihre britische Blu-ray-Ausgabe (Fassungseintrag) mit einem angemessenen Bonuspaket an Interviews und Analysen ausgestattet.
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