29. Mai 2020

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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Novo-Cinema-Aushängeschild von António da Cunha Telles

O cerco (1970)

Mitbeeinflusst von Manoel de Oliveira sowie von italienischen Neorealismus und zunehmend auch von der französischen Nouvelle Vague prägte das Novo Cinema den portugiesischen Film der 60er und 70er Jahre. Zu Beginn der Jahre hatte sich das Klima im Land gewandelt: Kolonialkriege, studentische Proteste, staatliche Gegenmaßnahmen und breitere Solidarisierungen mit verhafteten Studenten führten dazu, dass das versöhnlich-optimistische Gesellschaftsbild einer früheren Filmkultur in kürzerer Zeit von kritischeren Arbeiten durchsetzt wurde. Der in den späten 50er Jahren gedrehte aber erst 1963 uraufgeführte semi-dokumentarische, essayistische "Acto de Primavera" (1963) von Manoel de Oliveira, der aufgrund dieses Films vorübergehend verhaftet worden war, galt im Rückblick als Vorläufer des Novo Cinema: Ein Label, das generell erst nachträglich für eine Vielzahl unabhängig voneinander entstandener Produktionen verwendet worden ist, die sich aber allesamt darin ähnelten, sozial engagiert gesellschaftliche Probleme fernab melodramatischer, sentimentaler Erzähltraditionen zu verhandeln. Insbesondere die ersten Spielfilme Paulo Rochas aus den Jahren 1963 und 1966 avancierten schnell zu Klassikern dieses neuen nationalen Kinos. Produzent hinter diesen (und weiteren) Klassikern des Novo Cinema war António da Cunha Telles, dessen Produktionsfirma jedoch in den späten 60er Jahren Konkurs anmelden musste. Kurz darauf machte er jedoch als Regisseur mit seinem ersten Lang- und Spielfilm von sich Reden (der zur Verwunderung vieler Filmschaffender und -kritikerInnen kaum Beanstandungen von Seiten der Zensur erntete): "O cerco", im Mai 1970 mit großem Erfolg in Cannes uraufgeführt, entpuppt sich immerhin auch als kommerzieller Erfolg beim Publikum. Maria Cabral agiert hier in der Hauptrolle als Frau, die sich zu emanzipieren versucht, die ein unabhängiges Leben anstrebt, aber dabei immer wieder mit Abhängigkeitsverhältnissen in einer Männergesellschaft zu kämpfen hat. Ohne zum reinen Avantgardefilm zu geraten, weist da Cunha Telles' satirisches Drama immer wieder visuell wie auditiv Elemente des modernen Autorenfilms der 60er-Jahre auf (in denen er noch abgedreht worden ist). Damit kann er einstehen sowohl für das Novo Cinema Portugals als auch für ein feministisches Kino, das sich zu Beginn der 70er Jahre international zunehmend mehr Gehör zu verschaffen verstand. Eine angemessene DVD-/BluRay-Veröffentlichung  steht indes noch immer aus.

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