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von PierrotLeFou

Vor 150 Jahren: Von der Fotografie zum Film

Stichwörter: 1870er de-Almeida Dokumentarfilm Fotografie Frankreich Janssen Jubiläum Klassiker Kurzfilm Stummfilm


Passage de Venus (1874)
Die Älteren dürften sich an den Venustransit des Jahres 2012 oder auch noch des Jahres 2004 erinnern: Jeweils im Juni zeichnete sich die Venus mehre Stunden lang als markanter dunkler Fleck vor der Sonne ab. Jüngere Interessierte werden wohl nicht mehr in den Genuss dieses Phänomens kommen, denn die nächsten Fälle eines solchen Transits finden erst wieder in den Jahren 2117 und 2125 statt. Aber es gibt ja Aufzeichnungen der 2004er- und 2012-Fälle. Und es gibt sogar Aufnahmen aus den vorherigen Fällen der Jahre 1874 und 1882, wobei der am 9. Dezember 1874 entstandene Venustransit den entscheidenden Markstein in der Geschichte des Bewegtbildes darstellte. Der Astronom Jules Janssen war in diesem Jahr mit seinem Kollegen und dem Ingenieur Francisco Antônio de Almeida jr. nach Japan gereist, um mit den Transit aufzuzeichnen. Dies geschah mit dem von Janssen entwickelten revolver photographique, der es möglich machte, 48 Fotoplatten in nur 72 Sekunden zu beschreiben (wobei freilich noch eine vergleichsweise langwierige Belichtugnszeit hinzukam). Janssen selbst empfahl seine Entwicklung später für Bewegungsstudien und beeinflusste vor allem das Schaffen von Étienne-Jules Marey. 1874 waren freilich die fotografischen Einzelbilder des Venustransits, die zusammen eine Bewegungsillusion zu erzeugen vermochten, allerdings erst einmal nur das: fotografische Einzelbilder. Heute zirkulieren diese indes – und das lediglich in der Form von Übungsplatten – stärker in der Filmform, wobei nicht geklärt ist, wann erstmals aus diesen konservierten Zeitpunkten die Illusion einer Linie erstellt worden ist (vermutlich irgendwann in den letzen 30 Jahren). Und weil es sich um die frühesten fotografischen Aufnahmen handelte, die sich zu einer Bewegungsillusion zusammenführen ließen und späterhin auch zu einer solchen zusammengeführt worden, ließ sich "Passage de Venus" ebenso als Geburtsstunde des (Real-)Films auffassen wie etwa Max Skladanovskys Wintergarten-Programm als Geburtsstunde des Kinos: streitbar ist indes die eine wie die andere Auslegung, die Grenzen sind freilich fließend. Klare Grenzpunkte weist dafür die fließende Bewegung in "Passage de Venus" auf, denn zu Beginn ist die Sonne ohne Venus zu sehen, zum Ende befindet sich die Venus als vollständiger Fleck vor der großen Sonnenkugel: Keine halben Sachen also, sondern eine abgeschlossene Bewegung von einem Status in einen gänmzlich anderen. Auch damit kommt "Passage de Venus" späteren Filmen recht nah; näher sogar, als manch andere frühere Stummfilme der 1890er Jahre.



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