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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Lina Wertmüllers bissige Satire – bis heute aktuell

Stichwörter: 1970er Drama Erotik Giannini Italien Jubiläum Klassiker Komödie Melato Satire Spielfilm Wertmüller


Travolti da un insolito destino nell'azzurro mare d'agosto (1974)
In den 70er Jahren waren Filmtitel mitunter lang, teils sehr lang. Eine Regisseurin, die wiederholt zu ausgestellt langen Titeln neigte und mit dieser Konsequenz beinahe konkurrenzlos schien, war Lina Wertmüller, deren Todestag sich am 9. Dezember dieses Jahres zumd ritten mal jährte. Am 19. Dezember 1974 feierte ihr mehrfach neuverfilmter und parodierter "Travolti da un insolito destino nell'azzurro mare d'agosto" seine Uraufführung: Ein Film, der seinerzeit wie eine Mixtur aus Marco Ferreris "Liza" (1972) und Liliana Cavanis "Il portiere di notte" (1974) gewirkt haben dürfte und heute wie einer der Bezugspunkte für "Triangle of Sadness" (2022) erscheint, der heute noch weit bissiger daherkommt als Mitte der 70er Jahre. Trotz des langen Titels ist die Prämisse klar und deutlich und schnell umrissen: Eine norditalienische Industriellengattin und ein kommunistischer Macho und Seemann aus Sizilien erscheinen bei einem Yacht-Törn geradezu als Gegensätze, wobei die Frau den Mann mit ihren Haltungen und Äußerungen regelrecht verprellt. Beide verschlägt es auf eine einsame Insel, wo sie sich selbst überlassen sind. Die Machtverhältnisse ändern sich, woraus sich auch eine sadomasochistische Beziehung zwischen beiden ereignet. Doch die Unterwerfung der Frau ist mit der Rückkehr in die Zivilisation wieder dahin, die alten Machtverhältnisse ohnehin wiederhergestellt. Das schien inmitten der Frauenbewegung und auch heute wieder arg problematisch und wurde teils auch als Sexismus verdammt. Solche Vorwürfe übersehen aber nicht bloß, dass der Masochismus der Frau nicht absolut ausfällt, sondern bloß in einem dem Alltag und dem gesellschaftlichen Leben gänzlich enthobenem Raum auflebt, sondern vor allem auch, dass Geschlechterhältnisse, gesellschaftliche Klassen und geografisch unterschiedene Milieus ein komplexes Zusammenspiel ergeben. Dass der Film polemisiert und provoziert, macht ihn heute noch zu einem wertvolleren Debattenbeitrag als schlichte Empowertment-Botschaften; dass manche Dialoge eng mit dem damaligen Zeitgeschehen verknüpft sind, tut dem Vergnügen an dem Film heutzutage kaum Abbruch. Zur Qualität tragen neben Wertmüllers cleverem Drehbuch vor allem auch Mariangela Melato und Giancarlo Giannini in den Hauptrollen bei.



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