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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Melvilles zweiter Langfilm – nach Jean Cocteau

Stichwörter: 1950er Cocteau Drama Erotik Frankreich Jubiläum Klassiker Liebesfilm Literaturverfilmung Melville Spielfilm


Les enfants terribles (1950)
Am 1. März 1950 war Jean Cocteaus Meisterwerk "Orphée" gerade erst uraufgeführt worden, da folgte am Monatsende am 29. März 1950 bereits Jean-Pierre Melvilles Cocteau-Verfilmung "Les enfants terribles", wobei Cocteau seinen Roman gemeinsam mit Melville für die Leinwand adaptierte – und darüber hinaus als Erzähler aus dem Off durch den Film führt. Der Plan dieser Zusammenarbeit entstand schon kurz nach dem Kinostart von Melvilles Erstling, der Vercors-Verfilmung "Le silence de la mer" (1949). Herausgekommen ist ein atmosphärisch dichtes, vereinnahmendes Drama, das im kleinen Kreis die größten Themen aufgreift: Lieber, Eifersucht, inzestuöses Begehren. erweiterter Suizid. Elisabeth und Paul stehen mit ihrer schwelenden inzestuösen Begierde, die Bruder und Schwester aneinander bindet, im Mittelpunkt. Zwei Freunde bzw. Eindringlinge kommen hinzu: Dargelos, den man als Auslöser der Manifestation dieses Begehrens sehen kann, und später auch die Dargelos gleichende Agathe. Renée Cosima, die auch in "Orphée" zu sehen war, spielt beide Rollen in diesem hervorragend gefilmten Drama – und wird zum Auslöser tödlich endender Eifersucht… Bestechend nehmend der elegant fahrenden und schwenkenden Kamera ist auf formaler Seite noch die kontrastreiche s/w-Ästhetik, von der anfänglichen Schneeballschlacht in verschneiter dunkler Gasse bis hin zum Schachbrettmuster-Boden, auf dem die Figuren teils in extremer Aufsicht agieren. Cocteaus melancholischer Blick auf das Geschehen, die geradezu mythische Größe dieser Geschwisterliebe mit der schicksalhaften, symbolischen Ähnlichkeit zwischen Dargelos und Agathe tut ihr übriges und J. S. Bach auf der Tonspur setzt alledem noch ein Sahnehäubchen auf. Einzelne Aufnahmen – etwa die sich drehende Büste mit angemalten Schnurbart vor dem Gemälde im Hintergrund – dürften insbesondere an der späteren Nouvelle vague-Größe Jean-Luc Godard nicht spurlos vorbeigegangen sein … Und selbst Gaspar Noé scheint noch in "Enter the Void" (2009), wo inzestuöse Geschwisterliebe, Schicksalhaftigkeit und extreme Aufsichten auf die Figuren ebenfalls vorkommen, auf Melvilles Klassiker zu fußen. Von Meisterwerk bis hin zu Kunstgewerblichkeit reichten die Stimmen der Kritik. Blickt man heute auf das französische Kino zwischen Beginn der Nachkriegszeit und Beginn der Nouvelle vague zurück, os ist "Les enfants terribles" zweifelsohne ein Muss.
Empfehlenswert ist die Jean-Pierre Melville Edition von Arthaus/Kinowelt, die auch "Les enfants terribles" gemeinsam mit "Quand tu liras cette lettre" auf einer Blu-ray vereint: Fassungseintrag von Vince







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