Cronos (1993)
Zwei Kurzfilme und eine Handvoll TV-Serien-Folgen: Das und die Regieassistenz bei "Obdulia" (1987) hatte del Toro vorzuweisen, als er 1993 den bis dahin teuersten mexikanischen Film drehte - "Cronos", der noch heute zu den besten Arbeiten des Lateinamerikaners gezählt werden kann. Im Wechsel folgten fortan intimere Werke und brachialere Blockbuster, wobei del Toro hier wie dort bei der Populärkultur und bei den kryptischeren Autorenfilmen (à la Víctor Erice) Vorbilder fand und die ohnehin nie ganz scharfe Grenze zwischen Autorenfilm und Mainstream immer wieder verwischte. Ein Faible für Bombast und die Tendenz, den Effekt auf Kosten des Gehalts auszukosten, hat sich aber im Laufe der Zeit durchaus in das Schaffen del Toros eingeschlichen.
Ein bisschen anders verhält es sich in diesem, seit Mai 1993 über die Festivalleinwände gelaufenen Langfilmdebüt, in dem neben dem mexikanischen Urgestein Claudio Brook auch Ron Perlman in einer tragenden Rolle zu sehen ist. (Die junge Tamara Shanath und der ältere Federico Luppi stehlen aber beiden die Show.) Zwar ist schon hier kaum zu übersehen, dass del Toro sich - wie später in "El laberinto del fauno" (2006) - von "El espíritu de la colmena" (1973) inspirieren ließ, ohne eine vergleichbare Komplexität zu erreichen; aber das vergleichsweise geringe Budget gewährleistet eine weniger exzessive Inszenierung, die das Wesentliche im Blick behält.
Und so erzählt "Cronos" formal beachtlich von Sucht, Alterung, Nächstenliebe, Egoismus, Melancholie, Verlust, Trauer, Menschlichkeit und Religiosität, lässt einen kleinen Antiquar und einen wohlhabenden Industriellen um ein uraltes, alchemistisches Schmuckstück ringen, das ewiges Leben - auch nach dem Tode - zu bringen vermag, aber einen gehörigen Blutdurst hervorruft. Der originelle kleine Beitrag zum Vampirfilm handelt letztlich – und der Titel weist explizit darauf hin! – von Zeitlichkeit (und der menschlichen Haltung zur Zeitlichkeit); und damit auch von der Beziehung zwischen Endlichem und Unendlichem, was sich nicht zuletzt im massiven religiösen Subtext des Films niederschlägt. Verglichen mit der berechenbaren Formelhaftigkeit, nach welcher del Toros jüngstes Außenseiter-/Solidarisierungs-Fantasydrama "Shape of Water" (2017) verfährt, ist "Cronos" noch ein trotz aller Zitate eigenständiger, vergleichsweise subtiler und komplexer Genrebeitrag geworden, der gerade als Langfilmdebüt wirklich beachtlich ausgefallen ist.
Während hierzulande nur eine furchtbare Veröffentlichung beim Label MCP im falschen Format vorliegt, ist "Cronos" bei Optimum Home Entertainment nicht nur auf DVD, sondern auch auf hervorragend ausgestatteter BluRay herausgekommen: Fassungseintrag von Andy-O
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