Don't Look Now (1973)
Wer schon einmal das Glück hatte, durch Venedig, die wunderschöne Stadt der Liebe, zu flanieren, wird vermutlich viele positive Eindrücke mit nach Hause nehmen. Wer dabei über einen mangelhaften Orientierungssinn verfügt und überdies ohne Stadtplan – sei es analog oder digital – unterwegs ist, läuft dabei allerdings Gefahr, sich im Labyrinth der verwinkelten Gassen zu verlieren. Auch die englische Schriftstellerin Daphne du Maurier machte sich diese besondere Atmosphäre zunutze und machte sie 1971 zum wesentlichen Schauplatz in ihrer Erzählung "Don't Look Now" (deutsch: "Dreh dich nicht um"), die bereits zwei Jahre später von Nicolas Roeg verfilmt und am 11. Oktober 1973 uraufgeführt wurde – unter dem tatsächlich ganz wunderbaren deutschen Titel "Wenn die Gondeln Trauer tragen".
Ebenso wie du Maurier betont Roeg dabei vor allem die Schattenseiten der italienischen Lagunenstadt, spielt sich die Handlung doch vor einem tragischen Hintergrund ab: John Baxter (Donald Sutherland) soll hier bei der Restaurierung einer Kirche helfen und muss gleichzeitig mit seiner Frau Laura (Julie Christie) den Tod der kleinen Tochter Christine verkraften, die kurz zuvor im Gartenteich ertrunken ist. In ihrem zu verarbeitenden Schmerz begegnen sie dem Schwesternpaar Heather und Wendy (Hilary Mason und Clelia Matania). Die blinde und offenbar übersinnlich begabte Heather behauptet bereits im ersten Gespräch, in Kontakt zur toten Christine zu stehen. Während diese Vorstellung für Laura etwas Tröstliches hat und ihr bei der Verarbeitung hilft, hält der rationale John dies für Humbug. Aber wer ist dann diese kleine Gestalt, die er hin und wieder durch die nächtlichen Gassen huschen sieht und die einen roten Regenmantel trägt wie Christine bei ihrem Tod?
Mit "Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist Roeg ein schaurig-schöner und wahrhaft düsterer Klassiker gelungen, der auch deshalb so wirkungsvoll ist, weil erst in der allerletzten Minute beim finalen Knalleffekt die Wahrheit enthüllt wird, ob wirklich übersinnliche Kräfte im Spiel sind oder sich alle Ereignisse realistisch erklären lassen: Sind die alten Schwestern Schwindlerinnen – und führen sie vielleicht gar Übles mit Laura im Schilde? Treibt sich Christines Geist in Venedig rum – oder ist die Tochter gar noch am Leben? Roeg wählt dabei einen sehr ruhigen Erzählstil und verlässt diesen Pfad nie. Er lässt Bilder und Stimmung einsickern und hat es nicht nötig, auf vordergründige Spannungsmomente zu setzen, was den Film auch weniger zu einem Thriller, als der er immer wieder etikettiert wird, denn zu einem stillen Drama mit Horror-Touch macht. Zugleich würzt er die Geschichte mit immer wiederkehrenden Motiven wie der Farbe Rot, die für Gefahr steht, Wasser, zerbrechendes Glas und Nebel.
Die beiden Hauptdarsteller Christie und Sutherland liefern erstklassige Leistungen ab und entfachen dabei die nötige Chemie, die so überzeugend ist, dass seinerzeit vermutet wurde, in der viel diskutierten, weil sehr freizügigen Sexszene hätten sie den Geschlechtsakt nicht nur simuliert – eine Szene, die sowieso sehr untypisch inszeniert ist, koppelt sie den Sex doch mit Zwischenschnitten, in denen das Ehepaar sich wieder anzieht. Gemeinsam mit der ungewöhnlichen Filmmusik von Pino Donaggio, die mit ihrem sanftem Klavierspiel, mitunter allerdings auch unterbrochen durch elektronische hochfrequente Syntheiszer-Töne, der düsteren Story Melancholie beimengt.
Heute ist "Wenn die Gondeln Trauer tragen" ein gern zitierter Klassiker, in dem sich Elemente sogar in der James-Bond-Reihe ("Casino Royale") wiederfinden – und hat die vergangenen 50 Jahre gänzlich unbeschadet überschaden.
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