La Bête (1975)
Mitte der 70er Jahre brach – nachdem der Erfolg von "Deep Throat" (1972) den porno chic etabliert hatte und das Pornografische salonfähig wurde – alles um in der Filmlandschaft. Was an Umbrüchen schon eine knappe Dekade zuvor vorbereitet worden war, vollzog sich nun in raschem Tempo, vielfach und in aller Deutlichkeit. Davon blieben auch der verdienstvolle Produzent Anatole Dauman, der über 40 Jahre hinweg beinahe nur Meisterwerke des Autorenfilms produzierte, sowie der vom avantgardistischen Kurzfilm kommende Regisseur Walerian Borowczyk, der sich im Spätwerk zunehmend auf Erotica verlagerte, nicht ausgenommen.
Ihr im Januar 1975 uraufgeführter "La Bête" ist ein Film, der diesen Umbruch ganz nebenbei auch noch thematisierte: als einen Einbruch des US-amerikanischen porno chic in die europäische Hochkultur. "La Bête" präsentiert sich augenzwinkernd und ironisch als Bastard und handelt auch vom Zusammenfügen des nicht zusammenfügbaren… Die letzte Hoffnung des Marquis de l'Esperance ist die vermögende Lucy Broadhurst, die mit Automobil und Fotoapparat und gänzlich undschuldig ins Milieu traditionsreichen europäischen Adels eindringt: Ihre Ehe mit seinem Sohn soll den Ruin des Hauses de l'Esperance abwenden. Schon bei ihrer Anreise rückt tierische Sexualität zunehmend ins Bild; alsbald auch die Darstellung sodomitischer Akte, wie sie in der griechischer Mythologie gang und gäbe war und sich fortan in Weltliteratur und bildender Kunst niederschlug. Und dann ist da noch die verhängnisvolle Geschichte von Romilda de l'Esperance, die zwei Jahrhunderte zuvor in den Wäldern von einer Bestie vergewaltigt worden sein soll. Diese Episode wird Lucy vor ihrer Hochzeit in einem feuchten Alptraum verarbeiten: worin sich freilich Elemente aus Gabrielle-Suzanne de Villeneuves Märchenstoff "La Belle et la Bête" (1740) finden lassen wie auch Elemente aus Prosper Mérimées – 1970 von Janusz Majewski verfilmter – phantastischer Novelle "Lokis" (1869), in der es um ausbrechenden Wahnsinn, aber auch um animalische Sexualität geht. Der tierische Trieb im Zivilisierten wird in "La Bête" nicht bloß reichhaltig vorgeführt, sondern auch in Bestiengestalt veräußerlicht, um unter Rückgriff auf Hardcore-Elemente wieder eine ganz intime Nähe zu erzwingen. Und noch in Details – wie der (intersexuellen) Schnecke auf dem zum Fetisch taugenden Damenschuh – lassen sich solche Verschmelzungen beobachten. Das Ganze hat weniger mit Angela Carters Erzählungen oder Neil Jordans Verfilmung "The Company of Wolves" (1984) zu tun, wo der Tiermensch als Motiv dient, um pubertäres Erwachen und den neugewonnenen Blick auf die Sexualität zu bebildern. Vielmehr scheint Borowczyk tatsächlich ein Ein- und Umbrechen zu exerzieren und zugleich zu reflektieren. Mit der Darstellerin Sirpa Lane sollte fünf Jahre später Alfonso Brescias ähnlich gelagerter, ungleich schwächerer und weniger ambitionierter "La bestia nello spazio" erscheinen, der sich mit "La Bête" auch noch ein deutlich zitiertes Vorbild aus der Bildenden Kunst teilt. Ein Indiz für den Ruf, den "La Bête"sich seinerzeit schnell verschafft hatte.
Vor 15 Jahren ist Borowczyks verschrobene Perle bei Bildstörung in ansprechender Form herausgekommen: Fassungseintrag von eltopo
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