Die Zärtlichkeit der Wölfe (1973)
Ulli Lommel war kein besonders guter Regisseur; in den letzten 30 Jahren hat er beinahe ausschließlich schlimmen Schund fabriziert: mit hipper C-Prominenz wie Daniel Küblböck sowie mit abgesunkenen Genre-Altstars wie Ken Foree; Poe-Verfilmungen ebenso wie True-Crime-Dramen, teils nah am Tagesgeschehen wie "Dungeon Girl" (2008), teils dicht an der Mode des Mainstreamkinos wie "Zombie Nation" (2005), teils fußend auf kleinen Klassikern wie "Boogeyman: Reincarnation" (2016), der von Lommels eigenem "The Boogeyman" (1980) zehrt. Damals stand es noch deutlich besser um Lommel, der mit "The Devonsville Terror" (1983) grundsolides Genrekino ebenso drehen konnte wie kuriose Autorenfilm-Experimente, die in Richtung Godard, Fassbinder und Warhol schielten – von "Haytabo" (1971) über "Adolf und Marlene" (1977) bis "Cocaine Cowboys" (1979). Gerade die Nähe zum Kollegen und Landsmann Fassbinder schlug sich besonders direkt und deutlich nieder; aber bloß einmal ist Lommel dabei ein Film gelungen, der sich so eine Art Klassikerstatus sichern konnte. Zwar kann der am 29. Juni 1973 uraufgeführte "Die Zärtlichkeit der Wölfe" gerade Hannoveraner(innen) und True-Crime-Fanatiker vor den Kopf stoßen, indem er Fritz Haarman, den Werwolf von Hannover, von Kurt Raab ohne Schnauzbart, Scheitel und Hut, sondern glatzköpfig sein Unwesen treiben lässt... und das auch noch in der Nachkriegszeit... und im Ruhrgebiet. Aber wie sich Raab zwischen Margit Carstensen, Ingrid Caven, Brigitte Mira, Rainer Werner Fassbinder, El Hedi ben Salem, Irm Hermann und Jürgen Prochnow als verletzlicher Triebtäter präsentiert, ist schon sehenswert; zumal er durchaus als berechnend präsentiert wird, als Täter mit heimtückischer Masche, der seine obdachlosen jugendlichen Opfer als vermeintlicher Beamter der Kriminalpolizei unter Druck setzt... und damit erstaunlich lange Erfolg hat in einer Gesellschaft des florierenden Schwarzmarktes, in der egoistischer Hunger waltet und Autorität noch groß geschrieben wird. Ein analytisches Epochenporträt ist das vielleicht nicht geworden, aber ein kraftvolles – das heute zudem ein schönes Zeitdokument für eine Dekade ist, in der der Grenzbereich zwischen dem Neuen Deutschen Film und dem (auch exploitativen) grellen Genrefilm ganz schmal war.
Seit bald acht Jahren liegt Lommels kleiner Klassiker bei CMV auch auf Blu-ray vor: Fassungseintrag von Wishmaster27
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