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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Wegweisendes Übergangswerk von Ozu

Stichwörter: 1940er Drama Japan Jubiläum Klassiker Ozu Spielfilm

Todake no kyodai (1941)

Das japanische Kino wurde im Westen - oder zumindest hierzulande - vor allem ab den späten 50er, den frühen 60er Jahren mit Mizoguchi, Kurosawa und Ozu von den Cineasten entdeckt: Kurosawa kam den westlichen Sehgewohnheiten mit seinen alsbald vom Italowestern & von Hollywood aufgegriffenen Samuraifilmen und mit seinen Literaturverfilmungen nach Dostojewski, Shakespeare und Gorki ohnehin sehr entgegen und wurde meist als Meister des Samuraifilms etikettiert; Mizoguchi hingegen galt als Vertreter einer radikalen long take-Ästhetik und wurde vor allem als Frauenfilmer wahrgenommen, der sich in seinen Filmen der Unterdrückung der Frauen zuwandte. Ozu wiederum wurde als der japanischste aller Filmemacher betrachtet: als Filmemacher, der sich stets der Thematik des Bruchs mit der Tradition und den Unterschieden zwischen den Generationen widmete, der selten Schwenks, noch viel seltener Kamerafahrten in Szene setzte, der seine Bilder häufig aus einer starren, einen knappen Meter über dem Fußboden ruhenden Kameraperspektive einfing, der seine Dramen stets sehr zurückhaltend, aber immer sensibel & einfühlsam abbildete, der auf seine aufwühlenderen Enstellungen leere Räume, Landschaften oder leblose Objekte folgen ließ, wenn die Gefühlsausbrüche zu heftig gerieten, und somit 'Emotionen in Formen überführte', wie es Paul Schrader einst beschrieb. Es zieht sich eine weise Mono no aware-Haltung durch Ozus Filme, die die Dramen des Lebens bescheiden im Kleinen aufscheinen lassen und die großen Gefühle in stillen Alltäglichkeiten entdecken. Über 50 Filme hat Ozu gedreht, bis er genau an seinem 60. Geburstag verstorben ist: und durchaus wohlwollend heißt es hin und wieder, es sei stets die gleiche Geschichte gewesen - derart konsequent hat Ozu sein zentrales Thema durchgezogen. Aber bloß knapp zwei Drittel seiner Filme sind erhalten geblieben und seinen zum Großteil verschollenen Stummfilmen, die immerhin bis ins Jahr 1936 reichen und die über die Hälfte des ozuschen Schaffens ausmachen, wurde nur von wenigen dasselbe Interesse entgegengebracht, das seinen Filmen von "Banshun" (1949) bis "Sanma no aji" (1962) entgegengebracht wird. Ozu-Komplettisten machen daher darauf aufmerksam, dass der typische Ozu-Stil und die typischen Ozu-Themen nicht von Anfang an gegeben waren: seine frühen Studenten-Komödien sind lebhafter gefilmt & gespielt, abenteuerlicher in ihren Geschichten; langsam, ganz langsam entwickelt sich in der Kriegs- & Nachkriegszeit der Ozu, wie man ihn dann ab seiner 1949 beginnenden Noriko-Trilogie endgültig gewohnt war...

"Todake no kyodai" - am 01. März 1941 uraufgeführt - ist eines dieser ozuschen Übergangswerke, das den Tonfall der kommenden Ozus bereits stimmig vorwegnimmt: einer von lediglich zwei Filmen in den zehn Jahren zwischen "Shukujo wa nani o wasureta ka" (1937) und "Nagaya shinshiroku" (1947), in der Phase des zweiten Weltkriegs... Vom Tod des Familienoberhaupts, vom Verlust des Besitzes, von der Auftrennung einer Familie erzählt dieses Familiendrama, in dem schon ganz zu Beginn jener Blick auf die Dinge vorherrschend ist, den Ozu später immer wieder verfolgen sollte. Ein formstrenger Minimalismus kündigt sich hier bereits an, ohne dass es zu einer Sperrigkeit käme: leicht ist der Tonfall vielmehr, in den melancholischen Momenten ebenso wie in den heiteren Momenten. Gerade auch das Ende des Films, die oft zitierte letzte halbe Minute des Films, ist mit seinem versöhnlichen, zuversichtlichen Blick typisch für Ozus Spätwerk.
Worum es geht, verrät The Godfather in seiner Inhaltsangabe. Beim BFI - welches zwischen 2010 und 2013 einen Großteil an Ozu-Filmen auf DVD & BluRay herausgebracht hat, derweil hierzulande erst 2014 eine gerade einmal sieben Titel (darunter auch "Todake no kyodai") umfassende Ozu Edition bei koch media erschienen ist - ist Ozus Übergangswerk als Beigabe zu seinem Meisterwerk "Tôkyô monogatari" (1953) herausgekommen: Fassungseintrag von Hank Quinlan 1958


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