O Brother, Where Art Thou? (2000)
Unter fast 20 Filmen, mit denen das Autoren- und Regiegespann Joel und Ethan Coen seit 1984 die Kritiker und vor allem das Publikum begeistern, gibt es nur wenige, die enttäuschen oder zumindest geteilte Meinungen hervorrufen. Einer dieser seltenen Fälle ist die Abenteuerkomödie „O Brother, Where Art Thou?“, der am 13. Mai 2000 beim Filmfestival in Cannes vorgestellt wurde – nach Meinung der US-Kritik rangiert der Film heute überwiegend auf dem dritten oder vierten Platz der besten Coen-Filme, während er es bei uns kaum in die Top 10 schafft.
Es kann kaum am Coen-typischen, von literarischen Anspielungen gespickten Plot liegen, der drei entflohene Sträflinge in einem an Homers „Odyssee“ angelehntem Roadmovie durch das ländliche Amerika der Depressionszeit ziehen und sie in gefährliche, absurd-komische oder auch übersinnlich-märchenhafte Situationen geraten läßt: George Clooney – aufsteigender Star und 1997 zum „Sexiest Man Alive“ gewählt – entfesselt ein bis dato nicht gezeigtes komödiantisches Talent, Tim Blake Nelson bekommt seine erste größere Rolle, während John Turturro schon lange zum Coen-Inventar gehört. Genau wie Kameramann Roger Deakins, der die Geschichte in sepiafarbene Bilder taucht, übrigens erstmalig für einen Hollywood-Langfilm komplett digital statt fotochemisch. Doch „O Brother“ ist vor allem eine Art Undercover-Hommage an die Anfänge der Country-Musik, die heute in den USA einen Stellenwert einnimmt, der mit nichts in unserer Musikkultur oder unserem Musikmarkt vergleichbar ist. Die Coens engagierten den legendären Produzenten T-Bone Burnett, der den Film mit historischen und neuen Aufnahmen von Old-Time-Music- und Bluegrass-Standards unterlegt, es gibt Cameo-Auftritte von Stars der alternativen Folk- und Countryszene wie dem Bluesgitarristen Chris Thomas King, der Gospelgruppe The Fairfield Four, der Singer-Songwriterin Gillian Welch, der Bluegrass-Stars The Cox Family und anderer. Der im Film mehrmals von den drei Hauptfiguren vorgetragene Ohrwurm „I Am a Man of Constant Sorrow“ ist ein bekannter Klassiker von 1913, Clooneys Gesangsstimme übernimmt Dan Tyminski von Alison Krauss & Union Station. Einige der am Soundtrack beteiligten Musiker gaben noch im selben Jahr ein gemeinsames Konzert, das u.a. vom Dokumentarfilmer D.A. Pennebaker aufgezeichnet wurde und unter dem Titel „Down from the Mountain“ in die US-Kinos kam. Das Soundtrack-Album von „O Brother“ stürmte die Charts, verkaufte sich bis heute über acht Millionen Mal und wurde mit diversen Grammys ausgezeichnet.
Es leuchtet ein, daß in unseren musikgeschichtlich ganz anders geprägten Breiten die derart prominent eingesetzte US-Folk-Music nicht jeden Geschmack treffen kann, die eben aufgezählten Namen werden in Deutschland kaum jemandem bekannt sein. So erklärt sich wohl auch die Tatsache, daß „O Brother“ jenseits des Atlantik wesentlich höher geschätzt wird, dort sagt man heute über den Coen-Film, er habe viel für die Wahrnehmung und den Erfolg von Bluegrass-Musik getan. Daß die Musik als heimlicher Hauptdarsteller auch Ablehnung erzeugen kann, zeigt die OFDb-Kritik von buxtebrawler, während sie dagegen im Text von D-EVIL lobend hervorgehoben wird.
Registrieren/Einloggen im User-Center