6. Januar 2021

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von ratz

Vor 50 Jahren: Der Dodge Challenger wird zum Kultfahrzeug

Vanishing Point (1971)

Ob das Automobil im amerikanischen Film seit den 1960er Jahren tatsächlich der legitime Nachfolger des Reitpferdes ist, um die gefeierten Werte Freiheit und Geschwindigkeit in sich zu vereinen, soll dahingestellt bleiben – unbestreitbar ist aber, daß die Straße, das Auto und seine Fahrer eine besondere Rolle in der US-Filmgeschichte haben. Das Roadmovie ist die Verdichtung dieser Elemente und hat den Charakter einer Reise, die die Menschen nicht nur an neue Orte bringt, sondern auch innerlich verändert. Am 15. Januar 1971 kam mit „Vanishing Point“ einer jener Filme ins Kino, die das Genre grundlegend definierten und überdies zur popkulturellen Referenz geworden sind.

Der Kultstatus von „Vanishing Point“ beruht allerdings hauptsächlich auf seinen Oberflächenreizen: Ein PS-starkes Muscle-Car im schnittigen Design röhrt auf den endlosen Straßen des mittleren Westens dahin und hängt mühelos jedes Polizeiautos ab. Begleitet von treibender Musik (meist funkiger Rock, aber auch Countryklänge) bedient der wortkarge Fahrer Kowalski (Barry Newman) das Klischee des verfolgten Outlaws, der aber das einfache Volk auf seiner Seite hat – hier verkörpert durch einen energetischen Radio-DJ (Cleavon Little), der den Polizeifunk abhört, Kowalski vor Sperren warnt und ihn zugleich wortreich zum Helden stilisiert. Aber auch regelmäßige Inserts der beobachtenden Landbevölkerung – Weiße, Schwarze, Indigene – sowie die sich steigernde Medienaufmerksamkeit machen Kowalskis zum Selbstzweck gewordene Flucht zum Spektakel und Vehikel für unerfüllte Sehnsüchte.
Doch in kurzen Flashbacks und Funkdurchsagen wird allmählich Kowalskis Hintergrund skizziert: seine Biographie nach dem Kriegsdienst in Vietnam ist die eines Mannes, der isoliert ist, nicht mehr Fuß fassen kann und nach dem Tod seiner Geliebten den Kontakt zu den Mitmenschen meidet. Der Film illustriert das in kurzen Begegnungen mit einem freundlichen alten Mann, religiösen Fanatikern, einem schwulen Pärchen oder gutmütigen Hippies, bei denen Kowalski stets ungelenk und scheu wirkt. Unter all dem testosterongeladenen Motorengedröhn und kompetent gefilmten Actionszenen ist „Vanishing Point“ ein trauriger Film über einen Mann, der alles verloren hat, sein unweigerliches Ende geradezu provoziert und schließlich auch findet - ein pessimistisches Roadmovie über eine letzte Reise.

Nicht zuletzt durch Tarantinos gewohnt zitierfreudigen „Death Proof“ (2007) sind sowohl der Film „Vanishing Point“ als auch der zutiefst amerikanische Kult um das Automobil und insbesondere um das Muscle Car gewürdigt worden, in der Musik hat der Film ebenfalls ein Nachleben (u.a. durch das gleichnamige Album der Rockband „Primal Scream“ von 1997). Wiederholte Neuauflagen für den Heimkinomarkt haben meist einen Audiokommentar von Regisseur Richard C. Sarafian an Bord und belegen die anhaltende Beliebtheit des Films (in Großbritannien ist eine etwas längere Schnittfassung erhältlich, die auch Szenen mit Charlotte Rampling enthält). Die ausführliche und leidenschaftliche OFDb-Kritik von McKenzie sei zur abrundenden Lektüre unbedingt empfohlen.

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