Les anges du péché (1943)
"Affaires publiques" (1934) war Bressons erste Regiearbeit gewesen: Eine Kurzfilm-Komödie, geprägt von Clairs avantgardistischem Frühwerk, die bis Mitte/Ende der 80er Jahre als verschollen galt und die Bresson später nie zu seinem eigentlichen Filmschaffen zählen mochte. Es folgten einige wenige Drehbuchmitarbeiten und erst 1943 legte Bresson dann eine weitere Regiearbeit vor - nun einen Langfilm: den am 23. Juni 1943 uraufgeführten "Les anges du péché".
Entstanden unter deutscher Besatzung, aber doch recht unproblematisch, vergleicht man ihn etwa mit Clouzots "Le corbeau" (1943), der noch während der Besatzungszeit und ganz offen in der Nachkriegszeit als anti-französisch kritisiert worden war, handelt "Les anges du péché" doch gewissermaßen von der Nächstenliebe und den Schrecken der Repression: Eine Novizin will das Seelenheil einer entlassenen Strafgefangenen schützen, welche sich von diesen Versuchen jedoch in ihrer Freiheit beschnitten fühlt. Gefängnis und Kloster gleichen sich. Dass die Novizin letztlich im selbstlosen Einsatz für die (erst nach ihrer Entlassung wirklich schuldig gewordenen) Frau ihr eigenes Leben lässt, beeindruckt diese dann jedoch nachhaltig: Am Sterbebett der Novizin verstehen beide Frauen letztlich einander - und das Vorhaben der Novizin fruchtet letztlich.
Dramaturgisch gesehen mutete "Les anges du péché" seinerzeit recht asketisch an. Wirklich asketisch wurde Bresson aber freilich erst in seinen folgenden Filmen, insbesonder ab den 50er Jahren. Dass Stefan Schädler in Hansers Reihe Film von einer "konventionellen Theaterdramaturgie" schrieb, ist kein Widerspruch: Im Kino kann schon die konventionellste Theaterdramaturgie recht minimalistisch wirken. Sieht man aber davon ab, dass Bresson - der hier mit dem Pfarrer Raymond Leopold Bruckberger und dem Dramatiker Jean Giraudoux zusammenarbeitet - die Geschichte auf das Wesentliche beschränkt, so zeigt ihn die Inszenierung allerdings von einer Seite, die man später kaum noch bei ihm wahrnehmen sollte: Ihm selbst missfielen später die kunstvolle Beleuchtung mit ihren Kontrasten und die eleganten kleinen Fahrten, vor allem aber die dramatische Musik Jean-Jacques Grünenwalds, die etwas dick aufträgt. Aber auch wenn "Les anges du péché" größtenteils nicht das ist, was man heute mit dem Namen Bresson verbindet (und eher an ein klassisches, traditionelles Kino erinnert), so ist doch einer der kunstvolleren, inhaltlich interessantesten französischen Filme aus der Besatzungszeit daraus geworden.