Le révélateur (1968)
Wie sein Vater (der große Maurice Garrel) und später sein Sohn (der hervorragende Louis Garrel) war auch Philippe Garrel als Schauspieler aktiv, betätigte sich aber vor allem auch als Drehbuchautor und Regisseur - und das tut er nun schon seit über 50 Jahren bis heute, was auch daran liegt, dass er seine erste Regiearbeit ausgesprochen jung (nämlich 16jährig, im Jahre 1964) ablieferte. Nicht daran interessiert, finanziell den großen Gewinn zu machen, drehte Garrel fortan ausgesprochen sperrige, fordernde Filme, welche eine größere Verbreitung und einen angemessenen Bekanntheitsgrad ausgeschlossen haben. Die idealen Bedingungen findet er daher vor, als die Millionenerbin Sylvina Boissonnas ihm und anderen jungen Filmemachern zwischen 1968 und 1972 mit ihrer finanziellen Unterstützung die Möglichkeit bietet, unkommerzielle, ja vielmehr antikommerzielle Filme anzufertigen, welche weder den Anforderungen des Unterhaltungsfilms, noch den traditionellen Vorstellungen schöner Filmkunst genügen wollten. (Später sollte sich Garrel nach und nach immer zugänglicher präsentieren – und jüngere Werke wie "L'ombre des femmes" (2015) liegen gar als deutsche DVD vor.) "Le révélateur", der im zweiten Quartal des Jahres – und Felicity Colman zufolge teilweise unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln – entstanden ist, ist eine solche Boissonna-Produktion und vermutlich das berüchtigte Meisterwerk aus Garrels früher Schaffensperiode. Es ist ein verstörender Familienfilm, der – gänzlich ohne jede Tonspur – zumindest einen ödipalen Generationskonflikt zum Ausdruck bringt, womöglich aber auch gespeist wird von den Studentenbewegungen des Pariser Mais und den spezielleren deutschen Generationskonflikten der 68er Generation, ist "Le révélateur" doch in Süddeutschland gedreht worden. Und die Familie erscheint in "Le révélateur" überhaupt als ein unbehaglicher Ort unterdrückter & versteckter Krisen: Die Düsternis der eigenwillig ausgeleuchteten Räume trägt zu dieser Präsentation ebenso bei wie auch das Spiel der Akteure... und insbesondere Laurent Terzieff weiß seine markanten Gesichtszüge effektvoll einzusetzen. Pünktlich zum Pariser Mai, als die 68er Bewegung in Frankreich lautstark zu lärmen beginnt, zeichnet Garrel also mit bloß drei Darstellern das Bild einer Gesellschaft, in dem gerade das vermeintlich schützende, harmonische Familiennest als Hort ungeklärter Widersprüche und insgeheimer Abneigungen erscheint: Die besonders schwierigen Probleme einer Gesellschaft liegen dort, wo man sie gemeinhin gar nicht wirklich wahrnimmt. Und hier spielen auch Form und Inhalt gekonnt zusammen, lässt doch die radikale Lautlosigkeit des Films das irritierende, unnatürliche und ansonsten gewissermaßen übertönte Miteinander im Publikum voll ins Bewusstsein treten (was schon im Stummfilmzeitalter eine seltene Ausnahmeerscheinung war).
Die Faszination dieses befremdlichen Klassikers des abseitigen Kinos fängt Ännchen von Tharau in einem seiner gewohnt lesenswerten Reviews ein...
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