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von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: For Ever Godard

Stichwörter: 1990er Drama Essayfilm Frankreich Godard Groteske Jubiläum Klassiker Krieg Metafilm Schweiz Spielfilm

For Ever Mozart (1996)

Nouvelle Vague bis 1967, Filmkollektive und unsichtbares Phase bis 1972, dann Video-Experimente, Rückkehr zum Spielfilm und Rückkehr ins Kino ab 1980, elegisches und kryptisch-enigmatisches Starkino in den frühen 1990ern... Mitte der 90er Jahre nehmen die Kurz- und Essayfilme dann zu, werden die Spielfilme dann wieder rarer, dafür noch kryptischer – und von Stars bereinigt. Der am 14. Juni 1996 uraufgeführte "For Ever Mozart" treibt all die prätentiösen Allüren, die sich Godard während der 80er Jahre zunehmend zugelegt hatte, noch einmal gehörig auf die Spitze, ist aber unter den drei Dutzend Kurz- und Langfilmen, die Godard seit Mitte der 90er Jahre noch drehte, neben "Éloge de l'amour" (2001) und "Notre musique" (2003) noch der Spielfilmischste, auch wenn die Handlung hier noch etwas fragmentarischer ausfällt als in den vorherigen Spielfilmen des Spätwerks. Mit "Notre musique" teilt er sich den Ort Sarajevo, den Balkankonflikt – den Godard ab "Je vous salue, Sarajevo" (1993) wiederholt aufgriff – sowie die auch im Kontext von Godards selbstreflexiven Schaffen bemerkenswert direkte, explizite Thematisierung künstlerischer Arbeit; mit "Nouvelle Vague" (1990) teilt sich der Film andere Konflikte neben dem Balkankonflikt: Da gibt es die Großverdiener und die einfachen Bediensteten, die Kunst und das Kapital und die Politik... Konflikte beginnen schon im Kleinen, die unterschiedlichen Lebenswelten und Wirklichkeiten produzieren bereits allerlei Verfehlungen und Konfliktpotentiale. Da wollen französische Kulturschaffende das Theater ins aufgeriebene Sarajevo bringen, werden auf der Reise allerdings von der so abstrakt wie absurd dargebotenen Gewalt übermannt... Und parallel dazu macht sich ein gereifter Filmschaffender an eine leidenschaftliche historische Romanze, "Le boléro fatal", verweigert allerdings die großen Kampf- und Schlachtenszenen und dreht einen Film, den dann keiner sehen will. Was darf die Kunst, was vermag die Kunst? Das ist die zentrale Fragestellung des Films, der auch die Fotografie, die Malerei, die Dichtung und die Musik einbezieht, der allerlei Fragen aufwirft und keine Antworten mehr weiß. Zur Uraufführung teils hochgelobt, gehört "For Ever Mozart" heute zu den vernachlässigten Langspielfilmen des berühmt-berüchtigten Regisseurs, obgleich er nicht bloß die Filmästhetik und -dramaturgie der vorangegangenen Langspielfilme konsequent fortsetzt und wie eine Blaupause für den (autobiografische(re)n) "Notre Musique" wirkt, sondern auch Bezugspunkt für viele weitere Godard-Essayfilme blieb: "Histoire(s) du cinéma: Le contrôle de l'univers" (1999), "Ten Minutes Older. The Cello: Dans le noir du temps" (2002) oder "Le livre d'image" (2018) greifen etwa allesamt auf Material aus "For Ever Mozart" zurück. Den leicht verbitterten, etwas angewiderten Rückzug an die Ränder des Kinos, den Godard hier wie auch in "Deux fois cinquante ans de cinéma français" (1995) mit Mainstreampublikumsbeschimpfung antritt, sollte er seitdem fortsetzen: fast wie in den 70er Jahren wurde er wieder unsichtbarer, nur noch von einem treuen Stammpublikum wahrgenommen, das Godard selbst bald darauf auf einen kleinen fünfstelligen Bereich weltweit schätzen sollte. Und dennoch arbeitete er rastlos weiter, immer rätselhaftere und auch immer elegischere Bild- und Toncollagen hervorbringend, in denen man dazu gebracht wird, sich nach dem Sinn von alledem zu fragen: von der Kunst, der Politik, dem Kapital, der Arbeit, dem Leben...


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