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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Cronenberg startet durch

Stichwörter: 1970er Cronenberg Horror Jubiläum Kanada Klassiker Satire SciFi Spielfilm Steele


Shivers (1975)
1975 war für David Cronenberg das Jahr des großen Druchbruchs. Es hatte ihn ein paar Jahre gekostet, sich eine Finanzierung duch das National Film Board of Canada zu sichern, dem er mit dem im Mai 1975 in Cannes uraufgeführten, ab September dann im englischsprachigen Raum (und im Oktober dann auch in Kanada) gezeigten "Shivers" dann einen immens profitablen Erfolg in den heimischen Kinos verschaffen konnte – was ihn angesichts der sexuellen und gewalttätigen Motive des Films nicht vor Debatten über eine vermeintlich frangwürdige Förderung von vermeintlichem Schund bewahrte. Solche Haltungen sind heute noch nicht passé – obzwar sich mittlerweile mit Fördermitteln gestemme Zombiefilme wie "Endzeit" (2018) selbst hierzulande antreffen lassen –, besaßen vor 50 Jahren eine größere Wirkmacht. Im Fall von "Shivers" ließ sich aber nicht nur mit dem kommerziellen Erfolg gegen vermeintlich ungerechtfertigte Geldverschwendung argumentieren, sondern auch mit den Ambitionen des Autorenfilmers Cronenberg, der – wie sich später zeigte – in "Shivers" behandelte, was ihn schon im avantgardistischeren Frühwerk und letztlich bis heute beschäftigte. Stets drehten sich Cronenbergs Filme um Identitätsbildung, -stiftung und -verlust: Der eigene Körper, der eigene Geist war bei ihm stets im Wandel begriffen, von (teils drastischen) Formen der Veränderung betroffen. Cronenbergs (im Spätwerk etwas an den Rand tretender) body horror war Sinnbild ganz grundlegender, immer vorhandener Prozesse. Schon der Titel, "Shivers", verweist auf die Erschütterung des diskontinuierlichen Wesens, das vom Schauer überlaufen wird: des Entsetzens und der Wonne zugleich. Es verändern sich auf der Handlungsebene dann zunächst die Körper der parasitär Befallenen – wobei der Parasit selbst ursprünglich als Organersatz angedacht war –, im Nachgang auch der Geist: der Sexualtrieb übernimmt die Kontrolle und macht weder vor Greisen noch vor Kindern Halt; von den Geschlechtern ganz zu schweigen… zugleich stellt Cronenberg hier einen so mütterlichen Mann vor wie in seinem folgenden Spielfilm "Rabid" (1977) eine penetrierende Frau: Die Rollenbilder greifen alle nicht mehr, verlieren ihre Gültigkeit. Dass man solche Qualitäten 1975 noch weitgehend übersah, ist durchaus verständlich. Mit Blick auf das gesamte Œuvre Cronenbergs stachen sie aber in den 80er-Jahren langsam heraus, als "Shivers"- und "Rabid"-Produzent Ivan Reitman seinerseits zumindest Geschlechterrollen ironisch auf die Probe stellte und dabei kurze Cronenberg-Zitate unterbrachte.
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