China Blue (Kathleen Turner, Der Rosenkrieg) ist eine Hure. Und sie macht ihren Job mit Hingabe, liest ihren Kunden jeden noch so perversen Wunsch von den Augen ab, obwohl sie die Typen alle mehr oder weniger verachtet.
Klingt wie die Milieustudie über das Leben auf dem Strich? So fängt es zwar an, doch bald darauf sehen wir, wie der Privatdetektiv Donnie beauftragt wird, eine Frau zu beschatten, die von ihrem Chef verdächtigt wird, für die Konkurrenz zu spionieren. Diese Frau heißt Joanna Crane – und ist China Blue, was Donnie auch bald herausfindet. Dazu bekommen wir auch noch sein Privatleben serviert (gescheiterte Ehe, bescheuerte Freunde, Therapiegruppe). Er fühlt sich bald zu China Blue hingezogen, da er in ihr (nicht ganz zu unrecht) eine verwandte Seele wähnt.
Und als wäre das noch nicht genug, rennt auch noch Norman Bates, äh, Anthony Perkins als durchgeknallter Priester über die rote Meile, der sich in den Kopf gesetzt hat, China Blue’s Seele zu retten.
So wirr sich diese Melange aus verschiedenen Handlungssträngen anhört, auf einer gewissen Ebene funktioniert sie. Ken Russell, sowieso nicht für straighte Handlungsführung bekannt, serviert uns hier vielschichtige Charaktere, die in keine Schublade passen. Schade ist es eigentlich nur, daß Perkins (der sich für diesen Film übrigens extra zum Priester weihen ließ) im Vergleich zu Donnie und Joanna eher wenige Auftritte hat, sein Hintergrund hätte mich ehrlich gesagt mehr interessiert als Donnies verkorkstes Leben. Im Mittelpunkt steht natürlich trotzdem China Blue aka Joanna, und eine derartige Zeichnung einer von Grund auf zerrissenen Frau habe ich selten in einem Film gesehen. Kathleen Turner füllt die Rolle mit Leben, etwas, was in dieser Art Film eigentlich selten ist. Der Darsteller des Donnie (dessen Name mir jetzt auch gerade nicht einfällt) bleibt hingegen eher blaß, trotz seiner Pantomime eines sich erregierenden Penis auf einer Party (also wirklich, auch wenn Russell schwul ist, das hätte nicht sein müssen!). Anthony Perkins hingegen ist brilliant wie immer, sein Reverend Shane ist allgegenwärtig, trotz seines seltenen Einsatzes. Mal will er Turner argumentativ zu „Errettung“ bewegen, mal steht er nur vor ihrem Haus und redet wirres Zeug oder beobachtet sie, wenn sie ihre Freier empfängt, durch ein Loch in der Wand (ja, auch das mußte sein!).
Im großen und ganzen hat dieses Milieu-Psychothriller-Drama sicher einige Schwächen, wie z. B. die zu ausführliche Darstellung des Donnie oder einige überflüssig perverse Szenen (die Sex-Szene mit dem Polizisten), dafür auf der Haben-Seite hervorragend eingefangene Szenarien aus der Strich-Welt und das brillante Spiel von Kathleen Turner (die ich sonst eigentlich gar nicht mag) und Anthony Perkins. Sicher hätte man einiges besser machen können, zumal Russell letztendlich wohl nicht ganz wußte, worauf er hinauswollte, doch im Vergleich zu heutigen Hollywood-Streifen ist dieser Film immer noch Gold.
Sollte man mal gesehen haben, wenn man sich für Kino jenseits des Mainstream interessiert. Ken Russell-Fans werden eh zugreifen.