Vorneweg: B 5 gilt für mich als die beste SF-Serie aller Zeiten. So etwas hat es bisher nicht gegeben, und so etwas wird es auch nicht mehr geben. Ein unglaublich komplexes Werk, das eine Welt erschaffen hat, in der irgendwie alles seinen vorherbestimmten Platz einnimmt. Der geneigte Zuschauer wird in viele Völker eingeführt, in verschiedene Gruppierungen dieser Völker, in unterschiedlichste Charaktere dieser Gruppierungen.
Und alle nehmen wiederum ihren eigenen Platz ein in einer detaillierten Geschichte, die Millionen Jahre in die Vergangenheit und eine Million Jahre in die Zukunft reicht. Dabei lässt sich die Geschichte auf einen altbekannten Nenner bringen, der hier in völlig neuartiger und überraschender Weise erzählt wird: der Kampf zwischen dem (vermeintlich?) Guten und dem (vermeintlich?) Bösen.
Der Macher dieser Serie, Joseph Michael Straczinski (unter Fans kurz JMS), hat viel gelesen in seinem Leben. Das merkt man seinem Epos an. Es ist ein Roman in 5 Staffeln, und einige Episoden, ja die Grund-Story, kommt einem irgendwie bekannt vor, aber irgendwie auch ganz anders. Kennt man dies nicht von Tolkien und das nicht aus der Bibel? Man könnte sagen, ein durch und durch stimmiger Mix aus zig Epen und Erzählungen der Menschheit. Und das auf recht anspruchsvolles SF-Niveau angehoben.
B 5 hat eine ungeheure Erzähldichte. Das Gute daran: in fast jeder Folge passiert etwas von Belang. Das Schlechte daran: verpasst man eine wichtigere Folge, kommt man eventuell nicht mehr so mit. Das ist ein Kritikpunkt von Vielen ("Seifenoper"). Die Sache ist nur, ich lese auch nicht nur ausgewählte Kapitel eines Romans, den ich nicht kenne. Man muss B 5 folgen, auch wenn es gerade in der 1. Staffel schwer fallen mag, wenn da einige Storylines angerissen werden, am Ende aber eben kein Ende ist. Weitergucken! Es lohnt sich. Vor allem für Leute, die auch mal nachdenken wollen beim Fernsehen. Und die Geschichte steigert sich von Staffel zu Staffel...
Was da im Einzelnen passiert, ist schon zur Genüge beschrieben worden, das muss ich nicht mehr tun. Außerdem soll der geneigte Leser dieser Zeilen, der B 5 nicht kennt, es selbst erleben. Vielmehr will ich mich mit einigen (zum Teil einfach nur ungerechtfertigten) Kritikpunkten auseinandersetzen, denen B 5 ausgesetzt ist - um sie natürlich zu widerlegen.
Da wäre zum Beispiel der Vorwurf, B 5 wäre ein Abklatsch von DS 9. So etwas habe ich sogar mal in einem anerkannten amerikanischen SF-Führer gelesen, nicht nur in Chatrooms von beleidigten Star-Trek-Fans. Zwei Tatsachen lassen diesen Vorwurf zerbröseln:
Zum einen tatsächliche Werdegang beider Serien. JMS lief seit Ende der 80er Jahre von Studio zu Studio, um seine Idee zu verkaufen - auch zu Paramount, dem Star-Trek-Studio. Erst bei Warner hatte JMS Erfolg. Warner wollte einen Pilotfilm, um den Erfolg oder Misserfolg des Films sprechen zu lassen. Dieser Pilot ("The Gathering") lief 1993 im US-TV. Mit bombastischem Erfolg (obwohl unter Fans zumindest im damals ausgestrahlten Schnitt nicht sehr beliebt). Warner gab sein Okay für die Serie, die dann 1994 anlief. Der Pilotfilm zu DS 9 lief 2 Monate nach dem zu B 5. Allerdings war in diesem Fall ohnehin klar, dass es eine komplette Serie geben würde.
Zum anderen folgen B 5 und DS 9 - zumindest am Anfang von DS 9 - verschiedenen Erzählstrukturen. Die von B 5 habe ich bereits beschrieben: Ein epischer Roman in 110 Folgen (plus diverser Filme). Die von DS 9 war die Trek-Erzählweise, nämlich die des Western. Nachdem die Enterprises kreuz und quer in neue Gebiete durch den Alpha-Quadranten geschickt wurden, eben als Treck der Zukunft, sollte das ebenso klassische Western-Motiv der Wagenburg in unwirtlicher, feindlicher Umgebung in SF umgesetzt werden. Deswegen sieht DS 9 auch so rund aus und deswegen werden bekannte und unbekannte Gefahren von dort aus bekämpft. Erst mit der Zeit entwickelte sich DS 9 weiter: Es bekam ein nettes Raumschiff und einen mächtigen Feind, der bis zum Ende der Serie bekriegt werden musste. Die Serie wurde epischer (und besser).
Böse Zungen könnten aus diesen beiden Gründen daher eher behaupten, DS 9 sei der Abklatsch...
Weiterer Kritikpunkt: Die Effekte seien so schlecht bei B 5. Nun, B 5 musste von Anfang an - und am Ende wurde es sogar immer weniger - mit einem wesentlich niedrigeren Budget arbeiten als andere SF-Serien. Ausgeglichen wurde dies dadurch, dass man sich an Nachwuchs-Effekte-Macher wandte, die - damals war das neu - fast ausschließlich mit Computern arbeiteten. Auch wenn die Effekte oft wirklich dementsprechend wirken - das wird mehr als ausgeglichen vom Einfallsreichtum der Macher. Ich habe bisher in keiner anderen SF-Serie eine derartige Vielfalt von solch völlig unterschiedlichen Raumschiffen gesehen. Auch nicht diese Masse an Schlachtszenen, in denen aus solch phantastischen (Pseudo-)Kamerawinkeln die Schiffe, die Waffen und Trümmer gezeigt werden. Dies muss auch die Star-Trek-Macher überzeugt haben. Heute arbeiten die Effekte-Macher für sie.
Übrigens, dass die Musik (vom ehemaligen Tangerine-Dream-Mann Christopher Franke) kritisiert wurde, habe ich bisher kaum gehört. Ich finde sie genial, nicht so betulich null-acht-fuffzehn-mäßig wie in sonstigen TV-Serien.
Die Darsteller: sie würden so altertümlich oder allzu menschlich wirken. Wahrscheinlich wird da zB auf Londo Bezug genommen, mit seinem Anzug wie aus dem alten Frankreich. Nur zeigt genau dieses Beispiel das ancien regime der Centauri. Ein Regime, das deswegen auch gnadenlos untergeht mitsamt seinem Volk. Und wie! So ist das auch mit anderen Charakteren. Jeder verkörpert irgend jemanden, der irgendwann schon mal gelebt haben könnte. Oder heute hier auf der Erde leben könnte. Science Fiction bedeutet nichts anderes als aktuelles Wissen, Geschehen oder Faktum auf eine (noch) nicht existente Ebene gedacht. Ich persönlich habe noch keinen Außerirdischen getroffen (das glaube ich zumindest). Wenn jedoch eine außerirdische Rasse mal auf die Menschheit treffen sollte, werden es wohl kaum Klingonen sein, die so primitiv dargestellt werden, dass man ihnen noch nicht mal die Erfindung des Rads zutraut, geschweige die von getarnten Raumschiffen. Überhaupt finde ich, dass B 5 die glaubwürdigste Zukunftsvision ist, die eine Serie je gezeigt hat. Natürlich, ein bisschen Übersinnliches wie Telepathie gibt's auch hier, aber insgesamt wird das 23. Jahrhundert ziemlich glaubhaft dargestellt. Vor allem weil es hier nicht die Menschen sind, die die über alles Erhabenen sind.
Es ist wohl kein Zufall, dass die meisten Kritikpunkte immer im Vergleich mit dem Star-Trek-Universum aufkommen. Neid, Missgunst, Intoleranz von Hardcore-Trekkern? Muss doch nicht sein. Ich mag ja auch beides. Beide Serien kann man vergleichen, und dem einen gefällt eben das eine, dem anderen das andere besser. Beide haben nunmal eine andere Erzählstruktur und einen anderen Macher-Hintergrund, wie ein Vergleich schnell zeigt.
Zusammengefasst: Auf B 5 lasse ich nichts kommen. Fast nichts. Denn eigentlich hätte ich dann ja 10 Punkte geben müssen, nicht "nur" 9. Als Perfektionist stößt mir allerdings eines auf: dass man JMS nicht so machen ließ, wie er es geplant hatte. Und das merkt man. JMS musste, nachdem Warner gemerkt hatte, wie gut B 5 in der 3. Staffel inzwischen quotenmäßig ankam, sein Konzept im Prinzip auf den Kopf stellen. Die epische Struktur könnte ja hinderlich sein, dass neue Zuschauer gewonnen werden. Lieber eine Serie wie eine der Star Treks, wo man immer schnell einsteigen kann, weil am Ende der Folge die Welt genauso aussieht wie zu Anfang (obwohl das ja auch nicht mehr so ist!). Dass B 5 aber durchaus stetig Zuschauer trotz (eigentlich wohl eher wegen) seiner Struktur hinzugewonnen hat, fiel den Kurzfrist-Denkern in den Chefetagen nicht auf. JMS also musste den großen Krieg schnellstmöglich zu Ende führen, die Erde schnellstmöglich befreien, damit B 5 dann in ruhigerem All schippern konnte. Der Preis war hoch. Zum einen ging dieses "Konzept" nicht auf (gut vor allem zu sehen an der kurzlebigen Nachfolgeserie "Crusade"), zum anderen aber litt die Serie. Während sich die Story über 3 Staffeln kontinuierlich aufbaut, bordet die 4. Staffel über - es geschieht viel zu viel in zu wenig Zeit. Dagegen fällt die 5. Staffel deutlich ab. Hierfür baute JMS einen Mini-Handlungsbogen, der in seinem Ablauf etwas an den großen Bogen der ersten 4 Staffeln erinnert. Nicht schlecht, aber schlechter. Daher "nur" 9 Punkte.
Alles in allem eben: So etwas wie B 5 hat es noch nicht gegeben, und so etwas wird es auch nicht mehr geben!