Review

"Ich bin Klaus Kinski und wenn ich will, dass alles nach Scheisse riecht, dann riecht alles nach Scheisse!"

Bei keinem anderen Werner Herzog Film mit Kinski hatte ich dermaßen das Gefühl, dass Kinskis Persönlichkeit in seine Filmrolle eingeflossen ist, wie bei "Aguirre, der Zorn Gottes". Man fragt sich unwillkürlich, ob er sich überhaupt noch bewusst war, dass er als Darsteller eine Rolle spielt, oder ob er nicht während den Dreharbeiten davon überzeugt war, tatsächlich Don Lope de Aguirre zu sein. Kinski spielt um sein Leben - und dabei tut er nichts anderes, als sich so zu verhalten, wie man es erfahrungsgemäß auch von dem Menschen Klaus Kinski bisweilen zu erwarten hatte. Und nur so kann ich mir erklären, warum sich meine Tastatur vehement widersetzt, das finale Statement des Conquistadors am Anfang dieser Rezension wortgetreu zu zitieren.

Wenn es die Aufgabe eines Schauspielers ist, seine Rolle überzeugend zu spielen, dann muss die Frage erlaubt sein, ob dieser nicht versagt, wenn jede Geste, jegliche Mimik, jeder Unterton überlagert wird von seiner individuellen Persönlichkeit. Es ist unmöglich, diese Frage zu beantworten, weil es unseriös wäre zu behaupten, Kinskis Wesen gekannt, oder gar verstanden zu haben. Bei anderen Schauspielern ist man schnell geneigt zu sagen, sie spielten sich selbst. Darauf lässt sich Kinskis geradezu schizophrene Symbiose mit seiner Rolle nicht reduzieren. Wenn es aber diesen Aguirre jemals gegeben hat, dann ist man gewillt zu glauben, er hätte auch Klaus Kinski vortrefflich charakterisiert. Kinskis Aguirre ist lebendiger, als jede mir bekannte Charakterdarstellung in einem Film.

Es war mir nicht möglich, eine Bewertung für diesen Film zu vergeben, weil keine Bewertung diesem Film gerecht würde. Werner Herzog hätte möglicherweise einiges besser machen können, im Endeffekt aber wäre das Resultat dadurch nicht zwangsläufig besser oder schlechter geworden, sondern eben nur anders. In jedem Fall ist der Film durch Kinskis Mitwirkung zu einem Gesamtkunstwerk geworden, welches - wie seine Person - nur eine adequate Bezeichnung verdient: ein Unikat.

Es ist legitim, sich bei diesem Film zu langweilen, ob der schier endlosen Einstellungen, der behäbigen Erzählweise, die so träge wie der Amazonas dahinfließt; es spielt für den Film eigentlich keine Rolle, was man als Zuschauer empfindet. So wie Aguirres Megalomanie ihn allmählich völlig unerreichbar macht für die Welt um ihn herum, so entzieht sich der Film einer objektiven Beurteilung. Keine Inhaltsangabe oder Interpretation kann diesen Film empfehlenswert machen. Am Ende spielt es keine Rolle mehr, weil nichts mehr eine Rolle spielt, nicht einmal Klaus Kinski.

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