Dass Spanier sehr gute Filme machen können, ist längst kein Geheimnis mehr. In Europa gehören sie längst zur Elite und anders als bei deutschen Regisseuren, die nach Hollywood gehen und plötzlich amerikanischer werden als der KuKluxClan, kehren die spanischen Regisseure auch immer wieder zurück, um auch in Spanien weiterhin ihre gute Arbeit fortzusetzen. Man mag diesen Exkurs jetzt verzeihen oder nicht, wichtig ist er für diese Besprechung nicht, aber es musste mal gesagt werden: Wo sind denn hierzulande die großen Talente geblieben, die die großen Filme drehen? Und wo ist das Publikum, das es forciert, dass das passiert? Stattdessen lässt man es zu, dass Hollywood einen zumüllt. Ende des Exkurses.
Nun zum vorliegenden Film: Eine Gruppe von Aspiranten auf einen Top-Managerposten kommt in die letzte Bewerbungsrunde in einem abgeschlossenen Raum im obersten Stockwerk eines Hochhauses in Madrid zusammen und es beginnt die Auslese. Nur einer von ihnen kann den Job bekommen, der Interviewer zeigt sich ihnen nie, sie werden mittels Computer instruiert, miteinander und gegeneinander zu arbeiten und pro Runde einen Mitstreiter herauszuwerfen.Was als lustige kleine Runde beginnt, in der noch jeder relativ locker an die Sache herangeht, sich kleine Grüppchen bilden, einige sich schon von früher kennen und nett miteinander plaudern, wird - je länger die Ausscheidungen dauern und je weniger Mitstreiter übrig bleiben - immer gemeiner und zermürbender. Schließlich eskaliert es in einem offenen Psychokrieg, der sogar vor sexueller Demütigung - auf die eine oder andere Art - nicht zurückschreckt und sogar noch weiter geht.
SPOILER: Und letztlich gewinnt auch tatsächlich derjenige, der es am ehesten verdient. Ob man als Zuschauer gut damit leben kann, sei mal dahingestellt. SPOILER ENDE
El Metódo ist fast ein reiner Redefilm, es wird fast ausschließlich gesprochen und diskutiert und argumentiert, es werden ethische Fragen aufgeworfen, wobei sie nicht vom sozialen Aspekt her betrachtet werden sollen, sondern vom rein unternehmerischen, so dass es öfter zu überraschenden Ergebnissen und damit verbunden auch unerwarteten Ausschlüssen aus der Runde kommt. Es wird gnadenlos aufgezeigt, dass nicht unbedingt derjenige die Auslese gewinnt, der am effizientesten arbeiten würde, sondern vielleicht derjenige, der sich am besten verkaufen kann oder am ehesten Leute zur Schnecke machen kann.Nicht die offensichtlichen Schwächen sind diejenigen, die einen zu Fall bringen, sondern die, die tief in einem sitzen und eigentlich versteckt werden wollen (so kann man auch getrost verraten, dass das offensichtliche Alkoholproblem eines Bewerbers nicht zu seinem Untergang führt!).
Obwohl er also fast ausschließlich in einem Raum spielt - bis auf wenige Ausnahmen - und ziemlich wenig Aktionsspielraum besteht, ist der Film extrem spannend. Denn obwohl dies alles stinknormale Menschen sind, werden sie alle, wenn mal in die Enge getrieben zu reißenden Bestien. Dabei geht es letztlich darum, dass nur einer von ihnen den Job kriegen wird. Hier geht es nicht um die Rettung der Existenz, jeder hat einen Top-Job, man will nur den besseren Job, also ergeht es dem Verlierer jetzt nicht unbedingt schlecht. Aber der Gewinner muß zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.
El Metódo vereint eigentlich alle namhaften Schauspieler des spanisch-sprachigen Raumes, mit Ausnahme vielleicht von Banderas, Bardem und Cruz, so dass man alleine deswegen schon nicht von Anfang an wissen kann, wer am Ende als Sieger davon kommt. Das hat aber auch einen anderen Vorteil: Da jeder Schauspieler offensichtlich nicht vor dem anderen schlechter dastehen möchte, entwickelt sich ein brillanter Schlagabtausch mit wirklich grandiosen Schauspielleistungen, die von der Intensität sogar die „12 Geschworenen" übertrifft.Denn wo es dort darum ging, eine moralisch richtige Entscheidung zu treffen, geht es hier einzig um den Profit, was zwangsläufig zum Opfern der Moral führen muß.
So bleibt letztlich ein großartiger Film noch lange in Erinnerung, der einen so bitteren Beigeschmack hinterlässt, wie es nur die ganz großen Filme vollbringen können. Man weiß, dass hier nichts Weltbewegendes geschehen ist, und dass der Sieger im Prinzip egal ist, das Wichtige war der seelische Striptease aller Beteiligten, aber irgendwie stört es einen doch, dass das wohl die Norm heutzutage ist. El Metódo geht dabei mit einer derartigen Aggressivität zutage, dass man noch Tage danach benommen taumelnd durch die Gegend geht, ja geradezu sensibilisiert.Aber das heißt nicht, dass man anders als die Protagonisten reagieren würde, man weiß nur, dass man es auch so machen würde.
Ach ja, noch mal zurück zu meinem Eingangs eröffneten Exkurs: Die Spanier können es sich sogar leisten diesen Film nicht für den Oscar vorzuschlagen, weil sie noch weitere großartige Filme auf Lager haben (in diesem Fall war es Obaba). Und was hat Deutschland zu bieten: Bully, Otto, sieben Zwerge und einen Wixxer. Ach ja, und weil Deutschland ja endlich mit seiner Vergangenheit umgehen kann, alle paar Monate einen Film über das dritte Reich. Und weil die Welt ja auch sehen soll, dass Deutschland damit umgehen kann, wird dieser Film dann auch ins Rennen um irgendwelche Preise geschickt. Na toll! Zurück zur Bewertung von El Metódo:
Ein ohne Splattereffekte absolut verstörendes Meisterwerk, das mindestens 9 Punkte verdient