Review

Ein Selbstmord an einer Highschool. Ein Lehrer bricht gemeinsam mit dem Hausmeister die Tür zu einer verschlossenen Kammer auf, unter deren Türschwelle Blut herausströmt. Das Schloss ist geknackt, der entsetzte Pädagoge schnellt über die Schwelle und auf dem Fußboden liegt zusammengekauert und in einer Lache aus eigenem Blut der tote Körper von… und in diesem Moment beginnt der Film, den Tag an besagter Highschool Revue passieren zu lassen.
Aber wer um Himmels Willen hat sich den nun in der Highschool das Leben genommen?
Ist es
a) der vom Ehrgeiz seines Vaters gepeitschte Streber, der schon bei einer 1- um Nachkorrektur bittet,
b) die frisch gebackene „Teenage Mother“
c) der schwule, leicht irre Kiffer, der nach seinem öffentlichen Coming Out allerhand verbale Blessuren einfängt,
d) der andere Schwule, der sich’s aber noch nicht so recht eingestehen will und seine Neigung verdrängt, um dem Bild des athletischen Sportlertyps und Frauenschwarms gerecht zu werden,
e) dessen Freundin, die sich zum Frühstück am Mädchenklo mit voller Wonne den Finger gibt, oder etwa
f) ein humpelnder Behindi, der nicht ganz Herr seiner Schließmuskeln ist und regelmäßig im Unterricht einnässt (ganz heißer Kandidat meiner Meinung nach, oder!?)
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Tja, welches dieser sechs verkorksten Leben wird von seinem Besitzer nun am Ende als nicht mehr tragbar befunden, hm? Echt knifflig, gell. Im weiteren Verlauf geht bei jedem Protagonisten noch viel mehr den Bach runter und Lebensqualität flöten.
„2h37“ stellt uns alle genannten Figuren einzeln vor, begleitet sie auf ihrem Irrweg durch ihren Highschool-Alltag und lässt sie in Interview-gleichen, in Schwarz-weiß getünchten Monologen über sich und den Horror der Jugend plaudern.
Die einzelnen Geschichten überlappen sich dann in diesem Hochschulkammerspiel, wie sich auch die Wege der einzelnen Schüler kreuzen. Irgendwie sind wir halt doch alle miteinander verbunden…
Das Ganze erinnert erst an „Elephant“, dann an „Die Regeln des Spiels“, ist im Endeffekt aber schlicht ein Schüler-Drama, das einige stereotype Außenseiterfiguren oder Standard-Teenager-Problemen aufgreift, um als anspruchsvolles Kopfkino durchzugehen.
Der Salto gelingt leider nicht ganz. Das eine oder andere wirkt halt einfach doch zu konstruiert oder zu überspitzt dargestellt, und bei den Charakteren wurde auch ganz klar zur Schablone für US-amerikanische-Durchschnittsdepressivlinge gegriffen.
Der Streifen klappert, so scheint mir, just alle Gründe, die ein Teenie für Selbstmord so haben kann, ab, verwurstet diese zu einem massenkompatiblen Brei und kippt diesen über ein paar adrette Jungdarsteller, wie sie bei Larry Clark vorkommen.
Das Resultat, die Spurensuche nach dem Selbst!mörder, unterhält dann zwar einigermaßen, so richtig abkaufen tut man dem Streifen seine pseudo-depressive Stimmung aber irgendwie nicht.
Zu schludrig und aufgesetzt die Charaktere, zu seicht und Schemata-haft das Eintauchen in die psychischen Abgründe, und es kommt einfach so gut wie gar kein Feeling rüber, sorry. Nein, die Geschichten der Problemkids schaffen es einfach nicht, ans Herz zu gehen. Der Grund: Wahrscheinlich weiß ein jeder aus eigener Erfahrung nur allzu gut, dass es viel weniger als ungewollte Schwangerschaft oder Inzestfantasien bedarf, um als Teenager mal schlecht drauf zu sein, da genügt ja oft schon der berühmte Schmetterlingsflügelschlag.

Fazit:
Wäre wohl gern so etwas wie „Ken Park“ oder „11:14“ gewesen, ist allerdings viel zu überkandidelt und konstruiert für eine ordentliche Fake-Doku á la „Kids“ und auch zu soft und zaghaft für ein niederschmetterndes Hardcore-„Das Leben gibt’s mir jeden Tag von vorn und von hinten!“-Drama á la „Lilja 4-ever“, trotzdem aber ganz nettes Schlecht-drauf-Kino für Zwischendurch, ohne bleibenden Nachhall, Magenkrämpfe oder Gewissensbisse.
Leider muss man aber genau das „2h37“ am stärksten ankreiden…

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