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Mit seinem Debutfilm 2:37 hat der australische Regisseur Murali Thalluri bereits einen Rekord aufgestellt. Der erst 23-jährige ist bis dato der jüngste Filmemacher, dessen Werk in die offizielle Auswahl von Cannes, den berühmten und bedeutendsten Filmfestspielen, aufgenommen wurde. Doch was Juroren und Kritiker mit der Zunge schnalzen lässt, so lehrt uns der Blick auf die Liste der größten Kassenerfolge, geht nicht zwangsläufig konform mit dem Geschmack des Durchschnittsguckers. Wie verhält es sich hier?


Der Albtraum des Erwachsenwerdens
Der Film beginnt mit dem Ende. Um 14:37 bemerkt eine Schülerin ein Geräusch in der abgeschlossenen Toilette und ruft einen Lehrer und den Hausmeister herbei. Als dieser endlich aufschließt, liegt dort eine Leiche in ihrem Blut. Anschließend erlebt man den Tag von Anfang an, abwechselnd aus der Sicht von sieben Schülern, von denen jeder ein dunkles Geheimnis trägt und seine Probleme mit dem Prozess des Heranwachsens hat. Da ist zum Beispiel der kiffende Außenseiter Sean (Joel Mackenzie), der sich als schwul geoutet hat und sich seitdem von den anderen, allen voran dem sportlichen Schönling und Frauenschwarm Luke (Sam Harris), hänseln lassen muss. Lukes Freundin Sarah (Marni Spillane) ist heimliche Bulimikerin. Andere wiederum, wie der schüchterne Steven (Charles Baird), der aufgrund einer Behinderung an unkontrollierbarer Inkontinenz leidet, können für ihre Andersartigkeit gar nichts und erleben trotzdem die Hölle auf Erden. Mit ihnen und noch ein paar anderen verfolgt man fortan den Schultag. Für einen von ihnen wird es jedoch der letzte sein…

Ich sehe was, was du nicht siehst
Die Erzählweise von 2:37 ist an sich nicht neu. Bereits in 11:14 - elevenfourteen mit Hilary Swank oder auch dem Oscar-prämierten Drama L.A. Crash wurde die zeitlich verschachtelte Dokumentierung der Geschehnisse aus mehreren Perspektiven angewendet und ließ die Filme allein dadurch bereits interessant erscheinen, weil sie in ihrer Machart schon so etwas wie eine Minderheit darstellen. Für einige Geschichten ist diese Methodik ideal, wenn nicht sogar nötig. Teilweise trifft das auch auf den Plot von 2:37 zu. Wenn man die Erlebnisse von sieben Protagonisten erzählen und miteinander verweben will, kann es keine Hauptfigur, geschweige denn eine wichtige Storyline geben, der sich alle anderen unterordnen und sich um sie scharen. Diesem Prinzip ist Regisseur Thalluri treu geblieben und gibt so jeder Figur die Zeit, ihre Geschichte zu erleben, obgleich dies ab und zu recht langwierig wirkt. Zwischendurch wird von den aktuellen Geschehnissen weggeblendet und man sieht den aktuellen Protagonisten in einer schwarz-weiß gehaltenen Szenerie, die wie eine Sitzung beim Psychiater anmutet, in der die Person in einer Art Monolog ihre tieferen Gedanken oder auch nach und nach Geheimnisse preis gibt und so das Verständnis des Zuschauers unterstützt.

Zeichnen sich anfangs klare Tendenzen und Vermutungen ab, um wen es sich bei dem/der späteren Toten handeln könnte, wird dies gegen Ende jedoch auf den Kopf gestellt und sorgt für einige Überraschung und entlarvt auch den Zuschauer. Man kann sich fast selbst als Täter fühlen und macht letztendlich nicht mehr richtig oder falsch als die anderen Mitschüler. Das ist wohl die größte Stärke des Films. Mit der Auswahl der Charaktere hat 2:37 sowohl Vor- als auch Nachteile. Vom filmischen Standpunkt her ist es sicherlich interessanter, eine ganze Palette unterschiedlicher Personen zu begleiten, die nahezu alle Aspekte der menschlichen Probleme abdecken. Von Liebe, Beziehungen, Sexualität über häusliche Verhältnisse und Selbstzweifel bis hin zu Behinderung ist alles vertreten. Die Schicksale werden dem Zuschauer mal subtil, aber leider auch öfters mit der Holzhammermethode recht plakativ vorgetragen.

Auch gibt es scheinbar keinen normalen Schüler, nur die gebeutelten Teenager genießen die Aufmerksamkeit. Diese Tatsache verhindert für einen „Normalo“ eine stärkere Identifikation mit den Personen und senkt die Glaubwürdigkeit dieser Konstellation. Dennoch ermöglicht die Intimität, die dem Zuschauer durch die Interviews erlaubt wird, in Verbindung mit dem Verhalten in der Öffentlichkeit der Schule, die Erkennung eines starken Kontrasts und somit einen Blick hinter die Kulissen der Protagonistenseele.

Die Inszenierung ist, auch aufgrund des geringen Budgets, ziemlich nüchtern gehalten. Mal wirkt das Geschehen durch die Wahl verschiedener Kameras wie eine Dokumentation, dann mal wieder wie ein normaler Film und des Öfteren wird Musik als Katalysator für Gefühle benutzt. Die allesamt unbekannten und unerfahrenen Darsteller machen ihre Sache ordentlich und kommen echt herüber, wenngleich ihnen ihre Rollen oft enge Grenzen stecken.



Mit 2:37 gelang Debütant Murali Thalluri ein respektables Erstlingswerk, das mit seiner Erzählweise punktet und ein entlarvendes Ende präsentieren kann. Dennoch wirkt die schicksalssüchtige Fokussierung auf die Charaktere etwas zu eindimensional und verschweigt, dass es auch andere Wesenszüge gibt und es so nicht ablaufen muss. Als pessimistische Studie einer heranwachsenden, zukunftsängstlichen Jugend eignet sich 2:37 jedoch allemal.



7/10

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