Eins vorweg: Um den Film richtig genießen zu können, sollte man so
wenig wie möglich über die Handlung wissen. Diese Kritik enthält
leichte bis mittelschwere Spoiler! Weiterlesen nur auf eigene
Enttäuschung!
Der Einstieg lässt die Erwartungen sinken. Gähn – schon wieder wird
jemand nach bester „Ringu“-Art zu Tode geschreckt. Aber die
Befürchtungen sind unbegründet. Was danach folgt, ist eine spannend -
schöne Geschichte, die den ( in diesem Fall seidenen ) Faden der
bekannten asiatischen Geisterhorrorstreifen aufnimmt und weiterspinnt.
Was kommt nach der Erkenntnis, dass Geister existieren und gibt es
Möglichkeiten, das Phänomen wissenschaftlich zu nutzen?
Chao-Bin Su, der bereits das Drehbuch zu „Double Vision“ geschrieben
hat, inszenierte den mit über 6 Mio. USDollar Kosten bis dato teuersten
Spielfilm Taiwans. Leider kränkelt das von ihm verfasste Script genau
wie bei „Double Vision“ an kleineren dramaturgische Schwächen. Die
Story vom verrückten Wissenschaftler, der ein Projekt zur
Verwirklichung persönlicher Ziele missbraucht, ist nicht besonders
innovativ und wurde in allen Variationen bereits filmisch beleuchtet.
Wer also einen schweißtreibenden Geisterschocker erwartet, der sei
gewarnt. „Silk“ schlägt nicht in diese Kerbe. Es gibt kaum
Schockeffekte, was den Streifen jedoch nicht weniger spannend macht.
Genau wie bei „Double Vision“ ist die Schauspielerriege international.
In den multikulturellen Cast mischen sich unter anderem Yosuke Eguchi (
„Another Heaven“ ) und Chen Chang ( „Tiger & Dragon“, „2046“ ).
Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf Tung ( Chen Chang ), der als ruhiger
Cop mit kühlem Kopf eingeführt wird. Zwar hat er, wie so viele
Haupthelden, mit einer persönlichen Last zu kämpfen, aber am Ende des
Films schließt sich der Kreis um seine todkranke Mutter und somit fügt
sich der Nebenstrang doch recht gut in die Thematik ein. Die
sprichwörtliche Verbindung, die der Geist mit den Lebenden aufnimmt und
deren Bedeutung wird in der zweiten Hälfte deutlich. Am Ende
präsentiert uns Chao-Bin Su eine etwas schwülstige Erklärung von Hass
und Liebe. Auch die Absicht Hashimotos (Yosuke Eguchi ) wird recht früh
klar und somit wirkt das Ende etwas schwach.
Die Szenen, in denen das Leben einiger Menschen im wahrsten Sinne des
Wortes am seidenen Faden hängen, sind schlichtweg spannend inszeniert.
Die in den ruhigen Phasen betont klavierlastige, tragende Musik
wechselt dann passend in ein aggressives rhythmisches Trommeln.
„Silk“ bietet dem Zuschauer ein paar sehr coole Geistereffekte und die
Szene, in der Su ( Barbie Hsu ) vom kleinen Jungen getötet wird und als
Geist erscheint, ist klasse gemacht. Hier sieht man, dass das meiste
Geld in die digitale Bearbeitung geflossen ist. Bis auf wenige
Ausnahmen sehen alle Tricks sehr gut aus. Trotz der Schwächen im
Drehbuch funktioniert die Mischung aus metaphysischer Thriller, Horror-
und Mysteryfilm und ist sehr unterhaltsam.