Review

Borat ist ein Mann, dem ich nicht begegnen möchte.
Zum einen will ich mich nicht von einem Kerl abknutschen lassen und zum anderen muss ich befürchten, dass der Typ mir irgendwann vor die Füße scheißt.
Aber seiner Expedition in ein kultiviertes Land wie den US und A kann man durchaus folgen, sofern man nicht Ami, Kasache, Jude, schwul oder Frau ist, denn die werden sich möglicherweise auf den Schlips oder sonst wohin getreten fühlen.

Die Kasachen ohnehin schon mal, weil ihr eigentlich schönes Land als ein überaus usseliger Schauplatz an Unreinheit dargestellt wird.
Die Bewohner sehen aus, als hätten sie mindestens die Pest, Inzest ist willkommen, Fremdenfeindlichkeit ein Grund zum Abfeiern.
Und ich bin sicher, viele Betrachter sehen hier ihre Vorurteile deutlich bestätigt, weil sie immer noch glauben, dass die Sowjetunion sich nur aufgeteilt habe, um den Dreck besser zu verteilen.

In all dem lebt und arbeitet unser Anti-Held Borat (Sacha Baron Cohen) als TV-Moderator. Nun wird er ausgesandt, einen für seine Heimat wertvollen Exkurs in die Vereinigten Staaten von Amerika zu unternehmen. Gemeinsam mit Producer und Kameramann macht sich Borat auf eine Reise, die sicherlich nicht jeden Zuschauer erreichen wird, und, das muss ich konstatieren, auch mich nicht immer zum Lachen angeregt hat.

Das Prinzip ist sicherlich nicht neu, denn spätesten seit „Trigger Happy TV“ kennt man den Ablauf: Ein Mann spricht auf offener Straße Passanten an und konfrontiert sie mit unangenehmen Dingen, wie küssen wollen, einfach mal in den Busch scheißen, oder recht persönlichen Fragen über weltpolitisches Geschehen.
Auch die Interview-Szenen weisen eine ziemliche Ähnlichkeit mit denen von Erkan & Stefan aus „Headnut TV“ auf. Die „Reporter“ zeigen überhaupt kein Verständnis für die Ansichten des Interviewpartners, und konfrontieren sie zudem mit eigenen, sehr eigenwilligen Sichtweisen.

All das bringt „Borat“ auch, nur manchmal fehlt es an einer treffenden Pointe.
Er setzt auf Kulturcrash, politische Unkorrektheit und Provokation in jeder Hinsicht, verliert dabei aber nicht das Ziel aus den Augen, - dem Betrachter ab und wann den Spiegel an Vorurteilen vor Augen zu halten.

Gut ist Borat immer dann, wenn er es schafft, die Befragten bloß zu stellen und selbst wenig dafür tun muss, die Einfältigkeit einiger US-Bürger aufzuzeigen.
Etwa beim Rodeoreiten in Texas, wo er das Publikum mit Anti-Terror-Beschwörungen einheizt, um kurz darauf die US-Nationalhymne mit neuem Text zu verunglimpfen.
Hier drücken die Befragten unverblümt ihren Hass gegenüber Moslems aus, später wollen Studenten in einem Wohnwagen gar die Sklaverei wieder einführen.

Richtig treffend, zugleich aber auch erschreckend, dieser Jesus-Kreis der überaus Bibelfesten und nach Erlösung betenden Verrückten. Hier muss Borat gar nicht groß aktiv werden, die Szenerie mit abgedrehten Figuren und wie auf Dope umherschweifenden Typen reicht da kommentarlos aus.

Es ist eben eine etwas spezielle Gesellschaftsstudie.
Da mag man dem Geschehen eine komplette Minderheitenverachtung vorwerfen, und, obwohl Cohen selbst Jude ist, das Volk der Juden bis aufs Äußerste zu verunglimpfen – was an der Stelle mit dem gastfreundlichen, etwas älteren Judenpaar, leider nicht witzig rüberkommt, - so sind seine Geschmacklosigkeiten oft nur ein Produkt an Bestätigung für den Betrachter.
Schubladendenken, unvermeidbare Klischees.
Denn jeder hat von bestimmten Gruppen ein Bild im Kopf und oftmals vermag Cohen dieses bestätigen und zugleich seiner bitterbösen Satire respektlos zu unterziehen.

Etwas plump kommen demgegenüber die ganzen Fäkalangelegenheiten daher, ob beim Benimmteam die Kacke im Sack präsentiert wird, weil man zu doof ist, die Toilette zu benutzen ( hier ist es so überspitzt, dass es lächerlich wirkt), oder ob Borat mit seinem dicken Producer nackt im Hotelzimmer catcht, um anschließend bei einem vornehmen Empfang aufzutauchen, - das ist allzu vordergründig und nur selten spaßig. Speziell bei dieser Szene machte eher die Tatsache des ungeahnten Ekels Spaß, als der Vorgang an sich, den man so ausführlich gar nicht sehen möchte…

Auch dieser Sub-Plot um Pamela Anderson, die Borat im Hotelzimmer zufällig in „Baywatch“ sieht, ist nicht weiter von Belang, sondern nur ein Indiz dafür, dass aneinander gereihte Beiträge ohne Leitfaden auch einen scheinbaren Aufhänger benötigen.
Das Borat die Angebetete tatsächlich bei einer Audienz in Kalifornien trifft und sogleich bedrängt, auf dass sogar Sicherheitsleute zum Einsatz kommen, ist eine Frage von Authentizität.
Ich tippe hier mal auf eine Fake-Sequenz, denn Silikon-Pam würde eine derartig negative Darstellung ihrer Persönlichkeit sicherlich im Nu per Gericht verbieten lassen, es sei denn, ihr Einverständnis läge vor, - kaum denkbar.

Wie es sich bei anderen Szenen mit Fakes verhält, ist undurchschaubar, Tatsache ist aber, dass in diversen Foren verstärkt davon die Rede ist, was das Gesamtbild arg trüben würde.

Tatsache ist aber auch, dass insgesamt über knapp 80 Minuten recht viel geschieht, immer neue Gesprächspartner, immer neue Konfrontationen, viele Provokationen.
Vom Hotelboy, über den Autoverkäufer, Fahrlehrer, Waffenhändler, farbige Hip-Hopper, Antiquariat, Feministinnen oder Politiker vom „Führungsregime“ der USA, - Borat steht im Mittelpunkt und ist ein Typ, der zwar zuweilen etwas zu lange unter der Gürtellinie verweilt, aber manchmal auch ein entlarvendes Statement entlocken kann.

Es bleibt eine Frage des persönlichen Geschmacks, denn über den Anusvergleich mit einer Siebenjährigen kann ich mich beileibe nicht amüsieren, wenn Borat mit seinem unbeholfenen Auftritt im Live-TV einen Meteorologen aus dem Konzept bringt, schon.
So betrachte ich dieses Werk etwas zwiespältig: Teilweise unangebracht eklig und dann wieder treffend auf den Punkt gebracht,
6 von 10

Details
Ähnliche Filme