Es gibt doch noch wunderbare Flecken auf der Erde. Länder wo der Jude noch feierlich gejagt wird, die Frauen auf Befehl ihre Beine spreizen und Behinderte noch ausgelacht werden dürfen. Hoho, da poltert so mancher Stammtisch. Das ist dann doch zu viel des Guten. Man muss es ja nicht übertreiben. Wir sind ja schließlich nicht Moslems, Pardon, Terroristen. Und von den Kasachen, da kann doch ohnehin nichts Gutes kommen.
Oh doch. "Borat", der landeseigene Reporter bzw. die Figurkomposition von Sacha Baron Cohen - Ali G., für alle, die ihn immer noch nicht kennen. Irgendetwas läuft in Kasachstan aber auch nicht rund und da muss bzw. darf Borat ins beste Land der Welt (klar, die USA) reisen, um zu lernen. Da zieht das Pferd auch schon die Schrottkiste Richtung Flughafen. Über tausend Ecken geht's dann ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Juhu. Es riecht förmlich danach, dass sich die selbstkritischen Linksliberalen wieder einmal filmisch selbst abfeiern. So richtig "weltverbesserlich" wird es dann doch nicht, wenn Borat die ersten männlichen Amis links und rechts küsst. Igitt, aber er ist nicht schwul, in Kasachstan werden die warmen Brüder noch reihenweise am nächsten Baum aufgehängt.
Genau genommen überzeugt "Borat" durch überspitztes Kontrastkino, das Ecken und Kanten aufzeigt. Einerseits ist da das Stammtischparadies Kasachstan in Hardcore-Version. Andererseits sind da die US und A, mit all ihrer politischen Korrektheit und Doppelmoral. Dokumentarisch per Handkamera festgehalten ergibt das einen herrlich, feucht fröhlichen Aufprall.
Die Cowboys nennen die Feinde beim Namen und Feministinnen kotzen sich so richtig aus, wenn "Borat" sein repressives Frauenbild zum Besten gibt. Huch, das geht aber gar nicht. Irgendwie steht keiner so richtig im rechten Licht, Borat weiß auch nicht, was er davon halten soll. Cohen spielt mit sichtlichem Spaß an der Sache den naiven Unmenschen, der es doch nur gut meint. Die Polemik-Geister bekommen jemand, der sie selbst noch einmal in Dummdreistigkeit übertrumpft und politisch Korrekte dürfen sich einmal so richtig mit Grund echauffiert aufspielen. Da sind doch alle zufrieden - inklusive Betrachter.
Slapstick ist dann ein Selbstläufer, man spart auch nichts aus - mitunter wird es auch anal fäkal. Von New York führt die Reise nach Kalifornien, weil Borat den goldenen Engel in Baywatch erblickt - Pamela Anderson. Das führt letztendlich zum kasachischen Heirats-Gesuch, um die vaginale Lizenz zu erhalten. Herrje, in der Heimat wäre es doch so einfach.
Dazwischen betreten wir provinzielle und städtische Gebiete. Dumme Kuhjungen und kultiviert liberale Intellektuelle präsentieren dem kasachischen TV-Star die volle Ladung ihres Gehirninhalts. Geistigen Shitload und empörtes Gesülze inbegriffen. Das macht Spaß, dokumentiert es doch überspitzte Kontraste im Hurra-Live-Stil.
Die US von A bieten eben alles, unbegrenzte Möglichkeiten, wie es im liberalen Sinn auch erwünscht ist. Der Kulturschock transportiert den Spaßfaktor, fernab der im Hintergrund brodelnden Gesellschaftskritik. Präzise wird es selten, wer das alles ernst nimmt, darf den faschistoid, rassistisch, frauen- und schwulenfeindlichen Stoff auf den Scheiterhaufen werfen und die politische Unkorrektheit flambieren lassen. Das kennen wir ja, die pure Empörung über so viel Unverfrorenheit. Borat interviewt die politisch fortschrittlichen Vorbilder, um Kasachstan zu verbessern.
Am Ende sehen wir die Ergebnisse der Kulturreise. Statt den Juden hängen jetzt die Christen am Kreuz. Halleluja! (7/10)