„Stecke viel ein und halte durch, nur so kannst Du gewinnen“. Das ist das Credo der Filmbox-Legende Rocky Balboa. 31 Jahre nach dem ersten Teil der Filmreihe versucht sich Sylvester Stallone, alias Rocky, erneut an dem Stoff und scheitert. „Rocky Balboa“, der heute in den Kinos anläuft, ist eine Studie über einen alternden Ex-Boxstar, dessen Frau verstorben ist und der unter Einsamkeit und Stillstand leidet. Stallone schafft es aber nicht, seiner Figur so viel Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen, dass dieses Konzept aufgeht. „Rocky Balboa“ hat, trotz eines Boxkampfes und einiger angeschnittener Konflikte, am Ende keinen Gewinner - weder auf der Leinwand, noch im Kinosaal.
Neben bekannten Durchhalteparolen, die der Zuschauer in der ersten, sehr zähen Stunde des Films zu hören bekommt, hat Sylvester Stallone nicht nur viele Figuren der ersten Filme wieder mit ins Boot geholt, sondern auch das gleiche Strickmuster: Rocky versammelt Verlierertypen und ausrangierte Boxtrainer um sich herum und führt alle zum vermeintlich glorreichen Finale: einen Boxkampf gegen den amtierenden Schwergewichtsweltmeister Mason Dixon (Antonio Tarver). Am Ring steht auch wieder eine Frau (Geraldine Hughes), die mit Rocky leidet, wenn er einige kräftige Schläge einstecken muss. Nur am Ende des Kampfes gibt es, wie gesagt, keinen echten Sieger, es ist lediglich ein Showkampf – so wie der Film selbst auch.
Der neue Rocky bietet fast nur Altes. Der Film ist wie auch der erste Teil aus dem Jahr 1976 bemüht, authentisch zu wirken: eine Handkamera filmt in den Straßen Philadelphias und versucht Nähe zu den Protagonisten aufzubauen, was nur halbherzig gelingt. Rocky trägt wieder seinen alten Hut und ist ein Mann des Volkes und der Schwachen. Er passt auf seinen alkoholkranken Schwager Paulie (Burt Young) auf und versucht, den Dämon in seinem „inneren Keller“, der ihn seit dem Tod seiner Frau Adrian quält, aus seinem dahinplätschernden Leben zu boxen. Mit melancholischer Musik und Nostalgie versprühenden Dialogen versucht Stallone die lange Geschichte des „italienischen Hengstes“ wiederzubeleben. Doch das Essentielle, das die alten Rocky-Filme ausmachte, fehlt hier: die Spannung, die ein angst einflößender Gegner heraufbeschwört. Der heutige Weltmeister bringt nie die Antipathie auf die Leinwand, wie etwa Ivan Drago (Dolph Lundgren) in Rocky IV.
Rockys Training vor dem Kampf, das einen verschwindend kleinen Teil des Filmes einnimmt, wirkt wie eine exakte Kopie seiner Vorgänger: Er läuft die Treppen zum Museum of Art hinauf, hebt Gewichte, wie es kein vernünftiger Sportler je tun würde und wird von seinem Trainerstab angefeuert.
Leider verpasst Stallone nahezu jede Chance, die fehlende Spannung mit Hilfe tiefgehender Figuren oder eine gut ausgearbeiteten Geschichte zu kompensieren. Der Konflikt zwischen Rocky und dessen Sohn (Milo Ventimiglia), der unter dem großen Schatten seines Vaters leidet, wird mit wenigen Sätzen abgefrühstückt. Auch die Milieustudie ausrangierter Boxer in Philadelphia wird nur angerissen. Die Inszenierung des Boxkampfes selbst ist bemüht, etwa mit Hilfe des Ringsprechers Michael Buffer, des Gaststars Mike Tyson sowie „echten“ Fernsehkommentatoren und eines Ringrichters gepaart mit einer Optik, die an Fernsehbilder erinnert, real zu wirken, was Stallone aber mit artifiziellen Zwischenschnitten wieder entkräftet.
Stallone versucht, nach dem Flop von Rocky V mit seinem neuen Werk dem ramponierten Rocky-Denkmal zu altem Glanz zu verhelfen – genau dies wird auch von Paulie im Film angesprochen. Dies gelingt Stallone streckenweise durch Nostalgie und Selbstironie. Der Film leidet aber unter dem längst bekannten Schema F, der Oberflächlichkeit der Figuren und einem dramaturgisch schwach vorbereiteten Finale. Ein Film für Fans, die seit Rocky V auf einen einigermaßen würdevollen Abschluss der Reihe warten mussten. Ansonsten scheitert „Rocky Balboa“ weitgehend an seinem eigenen Anspruch.
4/10 Punkten