Review

Herzlich Willkommen im Universum von Michael Mann! Der Urknall dieses Universums war Mitte der 90er Jahre der Film „Heat“. Dieser Film enthielt bereits alle Gesetzmäßigkeiten, denen sich der Regisseur dann in weiten Teilen auch in „Collateral“ bediente:
- starker Soundtrack
- fast ausschließlich nächtliche Sets
- rasante Autofahrten
- Szenen im Krankenhaus
- Szenen in einer In-Disco
- actionreiche Shootouts und vor allem
- coole Dialoge zwischen den handelnden Personen
usw.

Sowohl „Heat“ als auch „Collateral“ war gekennzeichnet durch eine extrem geschickte Songauswahl, die jeweils exzellent zur jeweiligen Stimmung in den Filmen passte.
Die Hauptdarsteller in „Heat“ und „Collateral“ sind „einsame Wölfe“, die hauptsächlich nachts ihr Unwesen treiben. In „Collateral“ gab es ja dann sogar eine Szene, in der das Taxi mitten in der Stadt an echten Wölfen vorbei fuhr.
In „Heat“ verfolgte Pacino de Niro auf den Straßen von Los Angeles, in „Collateral“ wurde die Konfrontation Gut gegen Böse in fast dem ganzen Film auf ein durch die Nacht streifendes Taxi verdichtet.
In „Heat“ musste Pacino seine Tochter ins Krankenhaus bringen, in „Collateral“ besuchte Jamie Fox seine Mutter im Krankenhaus.
In „Heat“ erfuhr Pacino in einer In-Disco von der Existenz von Slick, in „Collateral“ spielten gleich mehrere Szenen in einer Disco.
Ein Highlight in „Heat“ war sicher das 10-minütige Shootout in den Straßen von Los Angeles, in „Collateral“ fand das Shootout dann in einer U-Bahn statt.
Ein weiteres, wenn nicht DAS Highlight in „Heat“ war sicher das Gespräch zwischen de Niro und Pacino in einem Cofe Shop. Genau so beeindruckend waren das Gespräch von Tom Cruise mit dem ehemaligen Saxophonspieler und die Geschichte vom Nikolaus, die Javier Bardem Jamie Foxx in „Collateral“ erzählte.

Diese Elemente tauchen nun in „Miami Vice“, dem neuesten Film, der im Universum von Michael Mann spielt, wieder auf:
Der Soundtrack ist exzellent, schon die erste Szene spielt in einer Disco, fast der ganze Film ist wieder in der Nacht angesiedelt, Burnett und Tubbs verfolgen einen durchgedrehten Informanten auf einer Straße, die es auch in „Heat“ oder „Collateral“ hätte geben können, Tubbs besucht seine Freundin im Krankenhaus, das Finale ist gekennzeichnet durch ein hartes Shootout und der Film ist durchzogen von jenen Mann-typischen Gesprächen zwischen Burnett und Tubbs und den Gangstern, wenn sie auch nicht die Klasse von "Heat" oder "Collateral" haben. 

Auf der einen Seite sind solche festen Handlungselemente gut, denn als Zuschauer bekommt man mehr oder weniger genau das, was man erwartet hat.
Auf der anderen Seite hat man vieles halt schon vorher gesehen, das dann auch nicht mehr so sehr beeindrucken kann wie beim ersten oder zweiten Mal.
Und so geschieht das in „Miami Vice“. Alles kommt einem bekannt vor, nichts kann mehr wirklich überraschen.

Michael Mann scheint sich in seinen Universen wohl zu fühlen. Schon einmal ist es ihm gelungen, so ein Universum zu kreieren, und zwar in den 80er Jahren. Er war der kreative Kopf hinter einer Fernsehserie, die es in der Form vorher noch nie gegeben hat. Sie war gekennzeichnet durch einen hohen Realitätsgrad, coole Polizisten, passendem Soundtrack und ihr Titel war:
„Miami Vice“!
Ihre Hauptdarsteller Don Johnson und Phillip Michael Thomas wurden über Nacht zu Superstars und die Serie beeinflusste sogar die Mode ihrer Zeit.

Wer die Serie damals gesehen und geliebt hat, sich jetzt den Film „Miami Vice“ von Michael Mann ansieht und auf Grund des gleichen Machers vielleicht auf Ähnlichkeiten und evtl. sogar nostalgische Gefühle hofft, dem sei gesagt:
Die Serie von damals hat mit dem Film eigentlich fast nichts gemeinsam, bis auf den Ort der Handlung, die ähnlichen Namen der Hauptdarsteller und deren Job als Under Cover Cops.

Wenn man also nicht mit der Erwartung eines Revivals der Serie in den Film geht, wird man in dieser Hinsicht auch nicht enttäuscht.
Wenn man mit der Hoffnung auf einen Film aus dem Michael Mann-Universum ins Kino geht, wird man ebenso nicht enttäuscht.

Und dennoch kommt man unbefriedigt aus dem Kino:
Man hätte sich vielleicht doch ein bisschen den Geist der Serie von damals gewünscht.
Man hätte sich vielleicht doch ein paar Szenen oder Bilder ohne diesen komischen Wiedererkennungswert gewünscht.

Was bleibt ist ein rasant gefilmter Action-Thriller:
Under Cover Cops schleusen sich in eine kriminelle Organisation ein, in der es Verräter und auch hübsche Frauen gibt.
Also auch die Handlung bietet nichts wirklich Neues!

Ein weiteres Problem sind die Hauptdarsteller, oder speziell Colin Farell.
In „Heat“ trafen zwei Schauspiel-Giganten aufeinander, da konnte nix schief gehen.
„Collateral“ bedeutete für Jamie Foxx sogar eine Oscar-Nominierung und lebte auch davon, dass Tom Cruise zum ersten Mal in seiner Karriere einen richtigen Bösewicht gespielt hat, und das nicht mal so schlecht.
In „Miami Vice“ versucht Colin Farell zwar cool ´rüberzukommen, aber es will ihm einfach nicht gelingen.
Das Drehbuch legt Farrell dann auch teilweise echt sehr schwermütige Sätze in den Mund, die seinen Charakter noch unglaubwürdiger werden lassen.

Ach ja, das Drehbuch:
Eine Charakterisierung der Hauptdarsteller, für die man sich „Heat“ und „Collateral“ noch Zeit genommen hat, findet nicht statt.
Wie schon in „Heat“ begeht Mann auch in „Miami Vice“ den Fehler, ernsthafte Beziehungsdialoge einflechten zu wollen. Die bestehen dann aber leider nur aus Phrasen, die oft total deplaziert wirken und zudem das Tempo des Films rapide verringern.

Die harten Shootouts sind aber, wie immer, exzellent gefilmt. Der Film ist trotz einiger durch überflüssige „tiefsinnige“ Dialoge in die Länge gezogene Handlung über die gesamte Laufzeit von 132 Minuten weitgehend kurzweilig.

Von den drei Mann-Thrillern „Heat“, „Collateral“ und „Miami Vice“ ist der letzte der deutlich schwächste, weil er eine konventionelle Geschichte mit bereits bekannten Handlungselementen erzählt. Der Film kann deshalb weder überraschen noch faszinieren. Was aber die Action und die tollen Dialoge zwischen Gangstern und Cops angeht, kann „Miami Vice“ durchweg überzeugen.
6,5/10

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