Warum nicht mal einen Film so schildern, wie man ihn im Kino aufgenommen hat?
Tatsächlich gibt das bei "The Score" die Vielschichtigkeit des Films am besten wieder.
Mit ins Kino wurde nur wenig genommen: drei namhafte Hauptdarsteller, Edward Norton, Robert de Niro und Marlon Brando, ein klassisches Caper-Movie rund um einen komplizierten Einbruch/Raub und wenig Action.
So weit, so gut.
Alles beginnt mit einem Einbruch de Niros, bei dem er einige Juwelen aus einem Tresor entwendet. Er wird zwar überrascht, zieht sich aber erfolgreich aus der Affäre, reist nach Montreal zurück, versteckt seine Arbeitsmaterialien und übergibt die Beute.
Das ist hervorragender Stoff allein für den Vorspann, doch leider krankt der Film schon hier unter seinem Buch und dem mit den Schauspielern verbundenen Anspruch. Weder der Bruch noch die Entdeckung durch einen Partygast sind mit irgendeiner Art von Pfiff oder Gag ausgestattet. Man erfährt zwar von de Niros Profession, kann aber noch nicht ahnen, daß seine Figur tatsächlich so risikovermeidend, sicherheitsfanatisch und spröde ist, wie sie hier wirkt.
Danach beginnt die Exposition des Films und die dauert so unendlich lange, daß man beginnt, abzuschweifen.
Enter Marlon Brando als de Niros Hehler, der unter seinen Fleischmassen zwar hin und wieder sein ehemals markantes Gesicht aufblitzen läßt, dessen Rolle aber wenig hergibt. Zu saft- und kraftlos geschrieben, ist auch Brando zu kurzatmig und unbeweglich, daß man ihn unwillkürlich auffordern möchte, ordentlich zu diäten, damit er zu Potte kommt.
Angela Bassett hat einige gute Auftritte als de Niros Freundin und schnell sind schon über dreißig Minuten vorbei, ehe wir überhaupt wissen, worum es gehen soll.
Enter Edward Norton: der hatte sich nicht nur die farbigste Rolle (Kunststück, bei dem Rest...) geschnappt, sondern will es der alten Garde Hollywoods mal so richtig zeigen.
Zwar ist sein Jack auch nur eine Variante seiner Charaktere aus "Zwielicht" und "Fight Club" (denn Edward ist immer sehr Norton), aber er bringt genau die nötige Energie, die dem dahinplätschernden Geschehen fehlt.
Doch ehe wir der Sache an sich auf den Grund gehen können, folgen noch ein paar Zwistigkeiten für de Niros Konto, da dieser ja immer allein arbeitet.
All das geschieht in bedächtigem Tempo, bei dem de Niros Nick kaum einmal den Gesichtsausdruck wechseln muß. Und so ist eine Stunde auch schon rum, eine weitere soll noch folgen.
Während meine Begleitung immer noch aufmerksam interessiert ist - wir haben sehr markante Darsteller - wünsche ich mir, daß allmählich mal eine Pointe im Plot auftauchen könnte und halte mir vor Augen, daß das letzte Caper-Movie (Verlockende Falle /"Entrapment" mit Zeta-Jones und Connery) ähnlich gut besetzt, aber statt langweilig einfach nur schlecht und lächerlich war.
Und als man gar nicht mehr daran glaubt, nimmt die Handlung endlich Fahrt auf.
Schließlich doch verbündet, hecken de Niro und Norton Stück für Stück ihren komplizierten Einbruch aus und wer an solchen Eskapaden seine Freude hat, wird auch hier gut bedient sein.
Hier bringt es "The Score" auch auf ein paar nette Extras wie einen mutterfixierten, schlafverweigernden Computer-Nerd und eine Geldübergabe an zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma in einem überfüllten Park. Diese Farbkleckse machen zum Glück wieder wach, wenn auch de Niro partout nicht von der Kette kommt, was im Gegensatz zu dem quirligen Norton immer wie betäubt wirkt.
Die das letzte Viertel füllende Einbruchssequenz ist dann auch das beste Stück dieses Films, wenn es zunehmend dramatischer wird, bis es zu einem angenehmen Herzschlagfinale kommt, bei dem dann nichts so läuft, wie es geplant war. Tatsächlich folgt dann noch eine Schlußpointe, die jedoch recht altbacken erscheint, während das Publikum nach den Adrenalinschüben beim Einbruch jetzt noch einmal Tempo erwartet.
Doch nach dem letzten Dreh ist plötzlich Schluß und dieses vergleichsweise abrupte Ende will nicht so recht zur Breitflächigkeit des gerade abgelaufenen Epos passen.
Als die Schrift auf der Leinwand erscheint, erheben sich die Massen in Rekordzeit und flüchten halbwegs aus dem Kino, ein Zeichen dafür, daß hier die Geduld der Zuschauer überstrapaziert wurde. Tatsächlich sind Zuschauer des 21.Jahrhunderts derart ruhig angelegte Dramen gar nicht mehr gewöhnt.
So wirkt der Film auch geradezu anachronistisch in seiner stillen Geschlossenheit, mehr wie ein Werk der 70er als das der Moderne.
Und auch als solches kann man den Film nicht einfach so durchgehen lassen. Dramaturgisch ist das alles zu einfach gestrickt, in einer gerade Linie erzählt, ohne Tricks, ohne Finessen und bis auf die Austrickserei am Ende (die sehr zahm ausfällt) ohne jegliche Pointen. Das ist zwar lieb und nett, braucht aber schon große Namen, um überhaupt jemanden vor die Tür zu locken.
Offenbar wurde deswegen den großen Drei auch Möglichkeit zum Improvisieren gegeben, was aber bei Brando nur zu heiserem Tralala führt, während de Niro nahe an der Erstarrung entlanghangelt.
Daß so sparsame Charaktere funktionieren können, bewies er ja schon in "Ronin", doch war Frankenheimers Film auch gespickt mit Dramatik, ausreichend Action, Finten und mysteriösen Charakteren, während "The Score" mehr oder weniger mit blanken Blättern handelt.
Norton gibt sein Bestes und macht zahlreiche Punkte als Spastiker Brian, so daß man das Gefühl hat, auch ein Schauspielerlebnis gehabt zu haben.
Doch unter sich heben sich die drei gegenseitig auf, ohne es zu einer wirklichen Chemie zwischen den Figuren kommen zu lassen.
Das fällt leider wenig auf, da alle so markant sind, einen Film allein über eine bestimmte Strecke tragen zu können.
Am Ende versöhnt das Schlußdrittel ein wenig mit dieser durchsichtigen Story (vor allem die Tresoröffnung ist ein Bringer), doch offenbar hatte dort die dramaturgisch fast totenstille Einführung in Überlänge sämtlichen guten Willen des Publikums gekillt.
Für mich bleibt "The Score" ein zwiespältiges Ereignis, bei dem ich nicht recht weiß, warum ich ihn weiterempfehlen und vor allem nicht wem. Denn er ist nicht für eine bestimmte Zuschauerfraktion geschrieben, sondern sitzt einfach irgendwo dazwischen. Nun findet er zwar ein Publikum, aber wohl nicht für lange Zeit.
Andererseits will ich auch nicht behaupten, er sein elend schlecht, denn vieles an diesem Anderssein ist erfrischend in einer Zeit, in der man mit hirnlosen Blockbustern bombardiert und mit immer wilderen Plotkonstruktionen totgeschmissen wird.
Ich kann noch, wie ich feststellte, zwei Stunden altmodisches Kino ertragen, teilweise sogar genießen, ohne Ärger zu verspüren. Bisweilen war es sogar überaus angenehm.
Und doch sagt der Zuschauer der ersten Filmhälfte in mir, daß hier eine harte Regisseurshand hätte straffen müssen.
Doch Frank Oz inszeniert leicht düster und träge und ruhig, ebenso wie der angenehme Swing-Jazz, der in de Niros Restaurant gespielt wird. Doch auch das kann man akzeptieren.
So bleibt ein seltsames Zwitterwesen zwischen Anspruch und Umsetzung, zwischen Moderne und Postmoderne,
zwischen Simplizität und Superstardom.
Irgendwo dazwischen, nicht richtig gut und niemals wirklich schlecht.
Und das heißt: 6/10.